Symmetrische Gesichter und maskuline Stimmen
Welche Männer und Frauen einander attraktiv finden hängt neben persönlichen Präferenzen auch von einem wichtigen biologischen Faktor ab: dem Zyklus der Frau. In den fruchtbaren Tagen wirken Frauen meist attraktiver auf Männer und geben selbst besonders maskulinen Männern den Vorzug.
Da die Pille den Zyklus verändert, haben bereits mehrere Studien versucht herauszufinden, wie sich das auf die Partnerwahl auswirkt. Die Biologinnen Alexandra Alvergne und Virpi Lummaa von der Universität Sheffield haben nun zehn solcher Studien verglichen. Die Antworten sind mehrdeutig.
Die Frau ...
Frauen stehen biologisch gesehen vor einem Dilemma: Als biologischer Vater wäre ein Mann gut, mit dem gesundheitlich besonders fitte Nachkommen produziert werden können. Als Indiz dient, wie attraktiv der Mann auf die Frau wirkt. Welcher Partner attraktiv wirkt, schwankt jedoch im Laufe des Zyklus. In der fruchtbaren Phase bevorzugen Frauen im Allgemeinen eher maskulinere Männer mit symmetrischen Gesichtern, die Dominanz signalisieren und sich gegen Konkurrenten durchsetzen.
Zum Erziehen der Kinder eignet sich hingegen ein Mann, der sich auch um den Nachwuchs und dessen Zukunft kümmert. Attraktivität und Fürsorge fallen aber nicht immer zusammen. In der fruchtbaren Phase können die attraktiven Konkurrenten daher laut Studien interessant für einen Seitensprung werden.
... der Mann ...

dpa/Ruddies
Die Antibabypille ist das seit ihrer Einführung im Jahr 1960 am häufigsten verwendete Verhütungsmittel in westlichen Industrieländern. Das Hormonpräparat gilt als die bei weitem sicherste Methode.
Auch Männer reagieren auf den Zyklus der Frau, denn dieser verändert Gesicht, Geruch und Stimme der Damen. Männer finden Frauen während ihrer fruchtbaren Tage anziehender als zu den restlichen Zeiten. In einer Studie wurde festgestellt, dass Striptease-Tänzerinnen in dieser Zeit ihres Zyklus mehr Trinkgeld bekommen.
Andererseits finden sich Frauen auch selbst attraktiver, wenn sie empfängnisbereit sind, Kleiden sich provokanter und berichten von verstärktem sexuellen Verlangen und passenden Phantasien. Männer wiederum haben verstärkt ein Auge auf ihre Lebenspartnerin in deren fruchtbarer Phase.
... und die Pille
In diese biologischen Spielchen der Partnerwahl greift die Pille ein. Sie reguliert das hormonelle Auf und Ab von Östrogen und Progesteron und führt zu einem eher stabilen Zustand ähnlich dem während einer Schwangerschaft.
Demzufolge legen Frauen, die die Pille nehmen, weniger Wert auf besonders maskuline Gesichtszüge und Stimmen. Auch verschwindet ihre Präferenz für genetisch besonders unterschiedliche Partner.
Wie die Männer auf die Pille reagieren, ist Alvergne und Lummaa zufolge nicht klar. Zwar dürfte der vom Zyklus bedingte Gipfel der Attraktivität der Frauen schwinden. Ob Männer aber Frauen bevorzugen, die keine Pille nehmen, konnten bisherige Studien nicht eindeutig nachweisen.
Biologische Perspektive und soziale Rolle
Der Artikel "Does the contraceptive pill alter mate choice in humans" ist in der Zeitschrift "Trends in Ecology and Evolution" erschienen (sobald online).
In ihrer aktuellen Publikation betrachten die Autorinnenauf der Pille auf die Partnerwahl aus einer rein biologischen Perspektive. Dies solle nicht die positiven sozialen und medizinischen Aspekte des Verhütungsmittel schmälern, wie sie betonen. Weltweit nehmen zirka hundert Millionen Frauen die Pille. Dadurch werden ungewollte Schwangerschaften vermieden, die Muttersterblichkeit wird reduziert und Frauen können Zeitpunkt der Geburt, Anzahl der Kinder und Karriere besser planen.
Viele bestehende Studien zum Thema leiden jedoch laut den Forscherinnen an Schwächen und einige Fragen bleiben daher offen. So wurde zum Beispiel nur in einer Studie die selbe Gruppe von Frauen vor und nach Einnahme der Pille untersucht. In den meisten Studien wurden verschiedene Gruppen verglichen. Zudem wurden die meisten Studien in westlichen Gesellschaften mit Studierenden als Probanden durchgeführt.
Lebenspartner und evolutionärer Aspekt
Letztendlich könnten Zyklus und Pille möglicherweise nur die kurzfristige Partnerwahl der Frauen beeinflussen. Dass Frauen durch die Pille einen anderen Lebenspartner wählen würden als ohne das Verhütungsmittel, hätte bisher keine Studie nachgewiesen. Dies hätte den Autorinnen zufolge aber bedeutende Folgen in vielen Gesellschaften, in denen ein Großteil der Frauen mit der Pille verhütet.
Zugelassen wurde die Pille erstmals 1960 in den USA. Laut Alvergne und Lummaa wurden seither jedoch nie mögliche Nebenwirkungen auf Psychologie und Verhalten von Frauen untersucht. Die beiden Wissenschaftlerinnen rufen dazu auf, die Folgen der Pille auf Partnerwahl, Attraktivität, Zufriedenheit mit Beziehungen, Scheidungen und Gesundheit der Kinder zu erforschen. Dies solle dann gegen die Vorteile der Pille abgewogen werden.
Als entscheidende evolutionäre Frage bleibe den Autorinnen zufolge vor allem eine offen: ob und wie die durch die Pille veränderte Partnerwahl sich langfristig auf die Chance auswirkt, sich fortzupflanzen, und wie es um die Attraktivität und damit die reproduktiven Chancen der Nachkommen steht. Diese Frage habe bisher noch niemand untersucht.
Mark Hammer, science.ORF.at