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lachender Obama

Gesinnung beeinflusst die Wahrnehmung

Wie Menschen die Hautfarbe eines farbigen Politikers sehen, wird unter anderem durch deren Gesinnung bestimmt. So kommen dunkelhäutige Politiker wie Barack Obama bei ihren Fans in hellerer Schattierung besser an.

Hautfarbe 24.11.2009

Illusion Wahlfreiheit

Die politische Wahl ist eines der wichtigsten demokratischen Instrumente. Jeder einzelne kann und soll damit die Zukunft der Gesellschaft mitbestimmen. Daher sollte jeder seine Entscheidung ausgewogen, das heißt nach möglichst rationalen Gesichtspunkten, treffen. Soweit das Ideal, die Wirklichkeit sieht indes oft etwas anders aus.

Heute sind die Wähler dem aufgerüsteten Medienapparat von Politikern gewissermaßen ausgeliefert: Was sie erfahren, ist meist ein wohlsortierter Ausschnitt. Die medienwirksame Präsentation der Kandidaten spielt neben den Inhalten eine ganz wesentliche Rolle. Das Äußere kann dabei durchaus auch wahlentscheidend sein.

Gleichzeitig ist es für den einzelnen unmöglich, eine völlig unvoreingenommene Wahlentscheidung zu treffen. Sie wird von unbewussten Vorurteilen, Stereotypen oder erlernten Haltungen vor- oder zumindest mitbestimmt.

Hautfarbe als Faktor

Der US-Wahlkampf des letzten Jahres stellte einen Einflussfaktor in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion: die Hautfarbe. Barack Obama, Sohn einer weißen Mutter und eines farbigen Vaters, wurde als erster Farbiger für das Weiße Haus nominiert und letztendlich auch gewählt. Analysen haben gezeigt, dass die Hautfarbe des Kandidaten bei seinem Sieg oder zumindest bei der Entscheidung einzelner Wähler eine Rolle gespielt haben dürfte. Immerhin hat er unter den farbigen US-Bürgern überdurchschnittlich gut abgeschnitten.

Die Studienautoren rund um Eugene Caruso von der University of Chicago haben nun einen umgekehrten Zusammenhang untersucht, nämlich, ob die politische Gesinnung von Bürgern Auswirkungen auf die bildliche Idealvorstellung von Politikern, inklusive ihrer Hautfarbe, hat. Die Annahme dahinter: Grundsätzlich sieht man Mitglieder des eigenen politischen Lagers besonders positiv. Diese Voreinstellung prägt somit auch die Wahrnehmung der Realität, besonders wenn diese nicht ganz eindeutig ist.

Sympathisanten bevorzugen helleren Ton

Die Studie in den "Proceedings of the National Academy of Sciences": "Political partisanship influences perception of biracial candidates' skin tone" von Eugen M. Caruso et al.

Die Studie des Teams bestand aus drei Teilen. Im ersten Abschnitt wurde die Wahrnehmung von Bildern eines fiktiven farbigen Kandidaten verglichen. Zuerst erhielten die 108 Testpersonen Informationen über seine Überzeugungen. Anhand der Übereinstimmung wurde ein Teil der Probanden als Sympathisanten eingestuft.

Für den optischen Vergleichstest wurde der Kandidat in unterschiedlichen Posen abgebildet, dann wurden die Bilder nachbearbeitet, sodass der fiktive Politiker bei einigen Darstellungen einen etwas helleren, bei anderen einen dunkleren Hautfarbton hatte. Die dem Kandidaten inhaltlich nahe stehenden Probanden hielten zum einem großen Teil die leicht aufgehellten Bilder am repräsentativsten für den Kandidaten.

Auch Wähler tendierten zum hellen Ton

Teil zwei und drei der Studie verlief ganz ähnlich, nur dass die Forscher dieses Mal Bilder von Barack Obama verwendeten, befragt wurden die Teilnehmer einmal vor und das zweite Mal nach der Wahl. Die Probanden sympathisierten entweder mit dem demokratischen oder dem republikanischen Lager.

Auch hier kam man zu ganz ähnlichen Ergebnissen. 75 Prozent der Studienteilnehmer, die tatsächlich für Obama gestimmt haben, hatten zuvor die aufgehellten Bilder als die Repräsentativsten beurteilt. Konservative Wähler hingegen hielten zu einem Großteil die Darstellungen mit dunklerem Hautfarbton für die besten.

Warum ist "hell" besser?

Rassistische Vorurteile haben laut den Autoren dabei keine Rolle gespielt. Zumindest habe man das mit zusätzlichen Tests abgeprüft. Ob die Hautfarbe der Versuchsteilnehmer selbst einen Einfluss auf die Bewertung der Bilder hatte, könne man aufgrund der wenigen farbigen Probanden nicht beurteilen. Die Ergebnisse blieben jedenfalls relativ unverändert, wenn diese wenigen aus der Statistik rausgenommen wurden, so die Forscher.

Auf die Frage, warum Menschen ihre Favoriten "aufhellen" und ihre Gegner eher "verdunkeln", geben die Forscher keine Antwort. Die Studie liefere allerdings einen Hinweis, warum farbige US-Politiker oder andere öffentliche Personen versuchen, "weißer zu erscheinen", und umgekehrt, warum sie nach einer Straftat plötzlich dunkler dargestellt werden als sie sind, wie das etwa O.J. Simpson nach seiner Verhaftung 1994 auf dem Cover des "Time Magazine" passiert ist.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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