Bildung schützt nach wie vor am besten
Von Karin Steiner

abif
Karin Steiner ist Sozialwissenschaftlerin und Geschäftsführerin des Forschungsinstituts abif. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Lebenslanges Lernen, Arbeitsmarkt und Gesundheit.
Erwartungsgemäß sind Pflichtschulabsol¬ventInnen mit 16,7 Prozent die traurigen Spitzenreiter in der Arbeitslosenstatistik. Gemeinsam mit LehrabsolventInnen stellen sie 79 Prozent aller Arbeitslosen und bilden damit nach wie vor die Hauptrisikogruppe am Arbeitsmarkt. Mit steigender Qualifikation sinkt das Risiko arbeitslos zu werden – diese Regel gilt auch in Zeiten der Krise.

AMS/Karin Steiner
Quelle: AMS Österreich
Auch Hochqualifizierte betroffen
Statistiken des AMS:
Aber selbst ein Studium ist keine Jobgarantie mehr. Mit 75,8 Prozent mehr Arbeitslosen im Zeitraum von Oktober 2008 bis Oktober 2009 verzeichnen FH-AbsolventInnen den höchsten Anstieg aller Bildungsniveaus. Bei den Uni-AbsolventInnen sind die arbeitslosen Geistes- und SozialwissenschafterInnen wie üblich vorne mit dabei, doch ziehen die sogenannten Karrierestudien der Betriebswirtschaft und der Technik mit Anstiegen zwischen 40 und 141 Prozent derzeit nach.
Auch bei den normalerweise jobsicheren HTL-Abgängern stieg in den letzten zwölf Monaten die Arbeitslosigkeit um über 50 Prozent, bei AbsolventInnen mittlerer technisch-gewerblicher Schulen ebenso. Im Vergleich mit anderen Bildungsniveaus sind die Arbeitslosenquoten natürlich immer noch niedrig.
Die Frauenfalle – Qualifizierung in sozialen Berufen
Die Industrie, aber auch andere Wirtschaftszweige verzeichnen einen Rückgang, die Bereiche Bildung sowie Gesundheit/Sozialwesen hingegen einen Anstieg an Beschäftigten. Aufgrund dieser Schere besteht derzeit die Versuchung „hemmungslos“ Arbeitsuchende für diese Bereiche zu qualifizieren. Zwar verspricht dies kurzfristig Jobs, doch wird längerfristig damit wieder die Geschlechtertrennung am Arbeitsmarkt zementiert.
Frauen sind nämlich traditionellerweise eher bereit, sich im sozialen Bereich zu qualifizieren, ohne sich ausreichend bewusst zu sein, dass sie als Krankenschwester oder Kindergärtnerin deutlich weniger verdienen denn als Technikerin oder Ingenieurin. Jeder und vor allem jede sollte sich daher genau überlegen, in welchem Bereich eine Qualifizierung längerfristig sinnvoll ist.
Resignation im Job
Doch selbst den Beschäftigten geht es derzeit nicht gut. Laut Arbeitsklimaindex bezeichnen zwei Drittel aller Arbeitenden ihren Job als „ziemlich unsicher“ oder „sehr unsicher“. Bereits seit zwei Jahren nehmen Pessimismus und Unzufriedenheit im Job besonders unter PflichtschulabsolventInnen, LeiharbeiterInnen und MigrantInnen zu.
Auch Resignation, das „Ausharren im Job ohne Motivation“ findet sich immer häufiger. Dies gilt insbesondere für die Baubranche, den Fremdenverkehr, den öffentlichen Dienst und die Sozialversicherungen. In Zeiten der Krise fürchten mehr Arbeitnehmer um ihren Job; folglich nehmen Präsentismus, das ist das „Krank-arbeiten-gehen“, und psychosomatische Beschwerden sowie Suchtanfälligkeit, Burnout und Depression zu.
Arbeitsmarktpolitik sollte daher auch mit primärer Prävention („early intervention“) bei gesundheitlich Beeinträchtigten und der altersgerechten Gestaltung von Arbeit ansetzen. Auch Weiterbildung im Job stellt für Beschäftigte eine wesentliche Auszeit vom Alltag und einen psychologisch wichtigen Anreiz dar.
Krise zur Weiterbildung nutzen
Die schwerste Wirtschaftskrise der letzten 60 Jahre hat nicht nur in Zahlen sichtbare Auswirkungen, sondern setzt unserer Gesellschaft auch psychisch zu. Sie demotiviert diejenigen, die sich von ihrem Engagement einen Erfolg versprechen. Doch ist aus arbeitspolitischer Sicht gerade das sinnvolle Nutzen von Zeit in der Arbeitslosigkeit, in einer Auftragsflaute oder in der Kurzarbeit besonders wichtig.
Niedrig Qualifizierte könnten in dieser Zeit einen höherwertigen Abschluss machen, höher Qualifizierte klassische Anpassungs- und Soft Skill-Qualifizierungen absolvieren. Beiden Gruppen sei nur so viel gesagt: Die Krise dauert nicht ewig – und dann werden qualifizierte Arbeitskräfte wieder gefragt sein. Bis dahin allerdings müssen Kurzarbeit, geförderte Arbeitsverhältnisse und Qualifizierungsförderungen verhindern, dass noch mehr Menschen arbeitslos werden.