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Hammerhai im Georgia Aquarium, Atlanta.

Wie der Hai zum Hammer kam

US-Biologen berichten: Hammerhaie sind ihren schmalköpfigen Verwandten beim binokularen Sehen deutlich überlegen. Vermutlich entstand ihr bizarrer Kopf im Dienste des Sehvermögens.

Zoologie 27.11.2009

"Komischer Kopf"

"Jeder möchte wissen, warum der Hammerhai einen so komischen Kopf hat", sagt Michelle McComb, eine Biologin von der Florida Atlantic University. "Eine Theorie lautet, dass es am Sehvermögen liegt. In TV-Sendungen wurde bereits öfters behauptet, dass Hammerhaie besser sehen würden als andere Haie. Aber überprüft hat das noch niemand."

Dass sich bislang noch niemand die Mühe gemacht hat, der Sache auf den Grund zu gehen, mag auch am US-Zoologen Gordon Walls liegen. Er veröffentlichte 1942 ein einflussreiches Buch mit dem Titel "The Vertebrate Eye and its Adaptive Radiation", in dem er erklärte, Hammerhaie hätten aufgrund der Position ihrer Augen kein räumliches Sehvermögen. Walls war eine Koryphäe in seinem Fach, der Physiologie und Augenoptik, und so dauerte es bis in die 80er, bis dessen Meinung öffentlich angezweifelt wurde.

Extreme Sehfelder

Die Studie "Enhanced visual fields in hammerhead sharks" ist im Fachblatt
"The Journal of Experimental Biology"
(Bd. 212, S. 4010) erschienen.

Weitere 25 Jahre später präsentieren Michelle McComb und ihre Mitarbeiter nun Versuchsdaten, die Walls widerlegen. Der Studie zufolge haben Hammerhaie nicht nur größere Sehfelder als ihre Verwandten mit konventioneller Kopfform, die beiden Felder überlappen auch stärker. Die diesbezüglich beste Ausstattung aller untersuchten Arten besitzt demnach der Flügelkopf-Hammerhai, der trotz der seitlichen Lage seiner Augen 48 Grad des Blickfeldes räumlich erfasst.

Dass gerade diese Spezies den Rekord des binokularen Sehens hält, weist darauf hin, dass Kopfform und Sehvermögen in der Tat eine gemeinsame evolutionäre Geschichte besitzen. Denn der Flügelkopf-Hammerhai hat das Bauprinzip seiner Familie geradezu exzessiv entwickelt: Sein Kopf ist bisweilen halb so breit wie sein gesamter Körper.

Bogenstirn-Hammerhai (Sphyrna lewini) in einem Aquarium.

Bild: Littlegreenman/Public Domain

Bogenstirn-Hammerhai (Sphyrna lewini)

Zwei andere Arten, der Bogenstirn-Hammerhai und der Schaufelnasen-Hammerhai , sind zwar beim räumlichen Sehen nicht ganz so versiert wie ihre Familienkollege mit dem ausladenden Frontflügel. Dafür besitzen sie den idealen Panoramablick, ihre beiden Sehfelder decken insgesamt 360 Grad ab.

"Als wir das Forschungsprojekt begonnen haben, waren wir überzeugt, Hammerhaie würden kein räumliches Sehvermögen besitzen", sagt McComb. "Wir dachten: keine Chance. Das ist ein Mythos, den es zu widerlegen gilt."

Hypothesen: Flügel und Sensor

Wie sie in ihrer Studie schreibt, kursieren in der Forschergemeinde noch weitere Theorien, die des Hammerhais auffällige Proportionen erklären könnten. So wurden etwa Hinweise gefunden, dass sich Hammerhaie wendiger als ihre schmalköpfigen Verwandten bewegen und bei hohem Tempo engere Radien zu schwimmen imstande sind.

Demnach könnte der breite Kopf als eine Art Tragfläche für extreme Manöver dienen - wie die Entenflügel vieler Kampfjets. Nachdem Hammerhaie in ihrem Kopf auch Sinnesorgane für elektrische Felder tragen, glauben manche Forscher, der breite Schädel sei zur Optimierung der Beuteortung entstanden. Auch dafür gibt es experimentelle Hinweise.

Im Prinzip könnten alle Hypothesen richtig sein: Dann wäre der Hammer des Hais eben ein Multifunktionswerkzeug. Schön nicht gerade, aber ungemein praktisch.

Robert Czepel, science.ORF.at

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