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16.000 Liter Wasser für ein Kilo Rindfleisch

Mit jedem konsumierten Produkt verbrauchen wir indirekt Wasser, das für die Produktion verwendet wurde. Der größte Wasserverbauch geht auf das Konto der Landwirtschaft. Wie die Menschheit in Zeiten von Klimawandel und Überbevölkerung mit den Wasserressourcen auskommen könnte, erklärt der Münchner Geograf Wolfram Mauser.

Nachhaltigkeit 10.12.2009

Was sind die Ursachen für den Wassermangel in der Welt?

Wolfram Mauser: Das größte Problem ist durch unsere Ernährung begründet. Von allen verschiedenen Nutzungen brauchen wir die größte Wassermenge für die Produktion von Nahrungsmitteln. Diese Produktion wird aus zwei Gründen immer schwieriger: Wir werden immer mehr, und wir ändern unsere Essgewohnheiten; wenn wir mehr Fleisch essen, wird mehr Wasser verbraucht. Da entsteht eine Klemme für die Zukunft, die uns in 25 Jahren klar vorführen wird, welche Schwierigkeiten wir bekommen werden: Wasser aufzutreiben, um die Nahrungsmittel, die wir verbrauchen, auch zu produzieren.

Das heißt, wir sollten weniger Fleisch essen?

Porträt Wolfram Mauser

Stiftung Forum für Verantwortung

Wolfram Mauser ist Professor für Geografie und geografische Fernerkundung an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Die Versuche, Ernährungsgewohnheiten zu ändern, sind bisher im Wesentlichen fehlgeschlagen. In allen Ländern, die Zuwachs an Bruttosozialprodukt haben, verändern sich die Essgewohnheiten hin zu mehr Fleischkonsum.

Auf der anderen Seite haben wir eine Landwirtschaft, die in weiten Teilen der Erde nicht besonders wassersparend ist. In vielen Regionen der Erde geht es darum, dass mit dem Wasser, das verfügbar ist, möglichst viele Nahrungsmittel produziert werden können. Da gibt es noch Möglichkeiten.

Durch ökologische Landwirtschaft oder andere Bewässerungssysteme?

Hohe Erträge heißt nicht unbedingt, die europäische oder amerikanische Art der Landwirtschaft mit hohem Energieeinsatz zu betreiben. Man kann die Saatzeitpunkte besser wählen, man kann Kleinbauern durch Ausbildung und durch Zugang zum Markt dazu animieren, ihre Felder intensiver zu betreiben, wenn sie auch mehr Geld für geeignetes Saatgut haben.

Die Bewässerung hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht wesentlich ausgebreitet. Die Flächen, die bei der Bewässerung neu hinzugekommen sind, stehen denen gegenüber, die durch Bewässerung, Versalzung und Degradation der Böden beseitigt worden sind. Um Bewässerung für die Zukunft massiv auszuweiten, fehlen uns die Technologien. Die sind auch nicht absehbar. Es geht darum, den Boden zu schonen und das Wasser, das man in der Bewässerung benutzt, effizienter aufzubereiten. Das ist sehr teuer, und die Investitionen können in vielen Teilen der Erde nicht getätigt werden.

Wie sieht im Vergleich der Wasserverbauch in anderen Bereichen aus - Trinkwasser, Kochen, Duschen, Industrie?

Buchcover "Wie lange reicht die Ressource Wasser?"

Fischer Verlag

Wolfram Mausers Buch "Wie lange reicht die Ressource Wasser? Vom Umgang mit dem blauen Gold" ist Teil einer Buchreihe zu Nachhaltigkeitsthemen. Am Donnerstag referiert Mauser bei der Vortragsreihe "Mut zur Nachhaltigkeit", bei der einige Autoren der Buchreihe sprechen.

Die Veranstaltung wird vom Zentrum für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Zusammenarbeit mit der Initiative Risiko:dialog von Umweltbundesamt und Ö1 sowie der Stiftung Forum für Verantwortung organisiert.

Begleitend werden in science.ORF.at Interviews mit den Vortragenden erscheinen.

Wenn wir gegenüberstellen, wie viel eine Person auf der Erde jeden Tag verbraucht, kommt man auf etwa 50 Liter für Trinkwasser, Kochen, Hygiene und den industriellen Wasserbedarf. Dem stehen 3.500 Liter gegenüber, die wir pro Tag benutzen, um Nahrungsmittel zu produzieren. Die Trinkwasserfrage ist auf der Erde eigentlich keine Mangelfrage. Die 50 Liter für Trink-, Brauch- und Industriewasser sind allemal auch in den Trockengebieten für die dortige Bevölkerung verfügbar. Die 3.500 Liter sind das Problem. Da müssen wir den Wasserverbauch reduzieren.

In allen Produkten steckt sogenanntes virtuelles Wasser. Was ist das?

Als virtuelles Wasser bezeichnen wir das Wasser, das benutzt worden ist, um Produkte zu produzieren. Diese virtuellen Wassermengen sind äußert unterschiedlich. Für ein Kilogramm Mehl braucht man zum Beispiel eine Wassermenge von ungefähr tausend Litern. Für ein Kilogramm Rindfleisch braucht man 16.000 Liter; so viel deshalb, weil das Rind wachsen muss, es bewegt sich, verbraucht Kalorien. Diese Art, in Form von Ressourcen zu denken, die man virtuell benutzt, erzeugt einen anderen Blick auf das, was wir täglich als Nahrungsmittel benutzen.

Welche Gebiete und Länder sind am meisten von Wasserknappheit betroffen?

Es betrifft vor allem Länder, die wenige Niederschläge und ein großes Bevölkerungswachstum haben: die arabischen Länder, die Länder südlich des Mittelmeeres, Kasachstan, der Norden von China. Das wird sich durch den Klimawandel noch verstärken.

Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Wasserprobleme aus?

In den Regionen, wo heute schon viel Niederschlag ist, wird der Niederschlag zunehmen; dort, wo er heute schon Mangelware ist, wird er weiter zurückgehen. Der Bevölkerungszuwachs geht mit dem Klimawandel einher, so dass sich alles von zwei Seiten her verschärfen wird.

Mangel an Trinkwasser wird seit Jahrzehnten diskutiert. Woran scheitert es, dass sich etwas ändert, zumal, wie Sie sagen, die 50 Liter pro Person überall auf der Welt verfügbar wären?

Die Situation hat sich in den letzten 20 oder 30 Jahren in der Tat nicht dramatisch verbessert. Auf der anderen Seite ist sehr viel passiert; insofern, als wir einer Milliarde Menschen in den letzten 20 bis 30 Jahren durch internationale Anstrengungen, Geld und Expertise den Zugang zu sauberem Trinkwasser und Wasserkläranalagen verschafft haben. Wenn die Weltbevölkerung in den letzten 20 Jahren nicht zugenommen hätte, hätten wir das Problem aus der Welt geschafft.

Es sind mehr als eine Milliarde Menschen hinzugekommen, und für die waren wir bisher nicht imstande, Trinkwasser und Abwasserentsorgung in geeigneter Weise zur Verfügung zu stellen. Das Problem ist sicher, dass wir zu wenig tun, aber es ist nicht so, dass wir nichts tun. Es läuft uns die Bevölkerungsexplosion davon, und sie läuft schneller als das, was wir tun können oder was wir im Moment bereit sind zu tun.

Wie sehen Sie Ansätze wie Brauchwasser- und Regenwassernutzung?

Die bessere Nutzung des Wassers, das verfügbar ist, ist natürlich ein Puzzlestein in der Begegnung dieser Wasserkrise, den man verfolgen sollte und bei dem das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft ist. Ich schätze, dass wir damit zehn oder 15 Prozent des Problems beheben könnten. Daran sieht man auch, wie viel wir tun und wie viele verschiedene Dinge zusammenwirken müssen, damit wir Wasser besser nutzen.

Die Brauchwassernutzung ist einer von vielen Aspekten, da ist viel zu wenig getan. Doch auch die bessere Nutzung im Agrarbereich durch neue Anbaumethoden, aber auch vielleicht durch neue Pflanzen, die wir züchten, und auch die Ausschöpfung der CO2-Düngung und damit die Reduzierung des Wasserbedarfs müssen wir nutzen.

Warum brauchen Pflanzen bei CO2-Düngung weniger Wasser?

Das CO2 wird durch die Blätter aufgenommen, gleichzeitig wird durch die Blätter durch Verdunstung Wasser an die Atmosphäre abgegeben. Wenn die Pflanzen mehr CO2 um sich haben, können sie die Öffnungen in ihren Blättern weiter zumachen und genauso viel CO2 aufnehmen, aber es geht weniger Wasser ab. Das Wachstum findet unter weniger Wasserverbrauch statt. Das macht man sich in Gewächshäusern schon zunutze. In welchem Umfang dadurch in der Natur Wasser gespart werden kann, ist im Moment umstritten, und darüber wird diskutiert.

Wie beurteilen Sie die Privatisierung von Wasser und der Wasserversorgung?

Ich kenne Privatisierungsprojekte in der Dritten Welt. Die Privatisierung von Wasserressourcen ist in diesen Ländern nicht ohne Probleme eingeführt worden, und in vielen Fällen bewährt sie sich nicht. Man muss aber unterscheiden zwischen der Privatisierung und Wasserpreisen. Ich bin der Meinung, dass Wasser einen Preis haben muss, aber meine, dass dieser Preis nicht marktwirtschaftlich festgelegt werden darf.

Die Gesellschaft muss einen Preis für Wasser festlegen, und der muss sozial gestaffelt sein. Dieser Preis hat die Aufgabe, die Verschwendung von Wasser zu unterbinden und den Umgang mit Wasser nachhaltig zu gestalten. Wasser muss einen Wert haben. Und dieser Wert hat einen Preis. Der Markt ist in diesem Fall aber ein schlechter Mechanismus.

Liegen die Wasserpreise in Europa richtig?

In Deutschland sind die Wasserpreise in dem Sinn richtig gesetzt, als sie uns davor schützen, die Wasserhähne endlos laufen zu lassen. In manchen Gegenden der USA, die Halbwüsten sind, werden Wettbewerbe abgehalten, wer den schönsten Garten hat. Das sind Resultate davon, wenn Wasser zu wenig kostet. Die Wasserpreise sind in Deutschland niedrig genug, dass sich Menschen Wasser leisten können, sind aber hoch genug, davor zu schützen, mit diesem Wasser vollkommen verschwenderisch umzugehen.

Welches Potenzial hat die Entsalzung von Meerwasser?

Damit können wir das Problem nicht beheben, weil es zu viel Energie braucht, die wir nicht haben.

Wäre das aber für arabische Länder eine Lösung?

Saudi-Arabien ist vor zwei Jahren vollkommen umgeschwenkt. Das Land war bis vor ein paar Jahren ein großer Weizenproduzent. Man hat große Flächen aus Meerwasser und Grundwasser bewässert und ist zu dem Schluss gekommen, dass einen dies in der Zukunft einholen wird, weil weder das Öl als Energieträger noch die Grundwasservorkommen in Zukunft vorhanden sein werden.

Saudi-Arabien hat die ganze Bewässerung vollkommen eingestellt und benutzt die Meerwasserentsalzungsanlagen inzwischen dafür, die Aquifere wieder aufzufüllen, das Grundwasser, das man in Zukunft für Trinkwasser braucht. Man importiert Nahrungsmittel und damit virtuelles Wasser im großen Stil. Das ist ein Tausch von Energie, die wir von Saudi-Arabien beziehen, und Nahrungsmitteln, die wir produzieren.

Mark Hammer, science.ORF.at

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