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Lachende Kinder beim Ballett.

Die Vermessung des Lebensglücks

Ist Glück eine messbare Größe? Offenbar ja, wie eine Befragung von 1,3 Millionen US-Bürgern nahelegt. Internationale Studien zeigen jedoch: Geld und Zufriedenheit haben kaum etwas miteinander zu tun.

Gesellschaft 31.12.2009

Geografie des Glücks: Europa

Das Glück ist bekanntlich ein Vogerl, laut einer aktuellen Studie der britischen New Economics Foundation hält sich das Federvieh besonders gerne in Skandinavien und Zentraleuropa auf. Die Dänen sind der Erhebung zufolge das glücklichste Volk des Kontinents, gefolgt von den Schweizern sowie ex aequo Norwegern und Österreichern.

Dass eine Nation, in der man Schifahren und Granteln als Volkssport betreibt, in diesem Ranking so gut abschneidet, mag ein wenig überraschen. Jedenfalls wirft das Resultat die Frage auf: Wie verlässlich sind solche Umfragen überhaupt? Lässt sich die subjektive Befindlichkeit durch messbare Größen objektivieren?

Blut und Gemüt unter Druck

Versuche in diese Richtung gab es bereits. So wurde nachgewiesen, dass der Blutdruck mit dem subjektiven Glücksempfinden zusammenhängt und positive Emotionen charakteristische Erregungsmuster im Gehirn aufweisen, sodass sie auch von außen - per Hirnscan - erkennbar sind. Nur ist nicht klar, was Ursache, was Wirkung ist. Ein hoher Blutdruck ist dem Wohlbefinden ohne Zweifel abträglich und macht wohl auch nicht glücklicher. Andererseits dient, auch das ist durch Studien belegt, eine positive Lebenshaltung der Gesundheit, nicht zuletzt auch dem Blutdruck.

1,3 Millionen Interviews

Die beiden Ökonomen Andrew Oswald und Stephen Wu haben nun einen ganz anderen Ansatz gewählt. Sie suchten zunächst nach Hinweisen auf das amerikanische Lebensglück im Behavioral Risk Factor Surveillance System, der größten US-Umfrage zu Gesundheitsthemen. Die amerikanischen Gesundheitsbehörden führen jedes Jahr Hunderttausende Befragungen durch, um eventuelle negative Gesundheitstrends frühzeitig erkennen zu können.

Dabei sammeln sich enorme Datenmengen an - Oswald und Wu werteten nun mehr als 1,3 Millionen Interviews aus den Jahren 2005 bis 2008 aus, in deren Rahmen unter anderem diese Frage gestellt worden war: "Wie zufriden sind sie mit ihrem Leben?" Mögliche Antworten: Sehr zufrieden; zufrieden; unzufrieden, sehr unzufrieden.

Wertet man die beste aller Möglichkeiten mit vier Punkten, die schlechteste mit einem Punkt, ergibt sich gemäß der Erhebung ein durchaus positives Bild. 3,4 ist der Durchschnittswert der 1,3 Millionen Personen, die die gegenwärtige Gemütsverfassung des USA bzw. ihrer Einwohner repräsentieren sollen. Allerdings ist bekannt, dass solche Umfragen in der Regel ins Positive verzerrt sind. Ein weiterer Grund, nach einer Objektivierung solcher Umfrageergebnisse zu suchen.

Geografie des Glücks: USA

Weitere Faktoren in Stuart Gabriels Erhebung sind Niederschlag, Temperatur, Anteil öffentlicher Länder, Verfügbarkeit von Nationalparks, Mülldeponien, Zustand der Natur, Luftqualität, Kriminalistätsrate, Steuern und Lebenskosten.

In Bezug auf den Arbeitsweg wurden auch schon weltweite Vergleiche angestellt: Stauweltmeister sind offenbar die Thailänder, sie wenden pro Tag durchschnittlich zwei Stunden auf, um an den Arbeitsplatz und wieder nach Hause zu gelangen. Bedeutend kürzer fällt der Arbeitsweg bei den Bewohnern Malawis aus: Sie benötigen lediglich zwei Minuten - tour retour.

Die gelang nun Oswald und Wu durch mathemtaische Bündelung eines äußerst bunten Daten-Straußes. Die Methode wurde zum ersten Mal vom kalifornischen Ökonomen Stuart Gabriel angewandt, der 2003 die Lebensbedingungen in den 51 US-amerikanischen Bundessaaten verglichen hatte – und zwar nach zum Teil unorthodoxen Kriterien, wie beispielsweise die Anzahl der Sonnentage, die Dauer des Arbeitsweges und das Zahlenverhältnis Lehrer/Schüler.

Oswald und Wu taten ähnliches und erhielten ein Ranking, das Louisiana als Zentrum des US-amerikanischen Glücks ausweist, gefolgt von Hawaii und Florida. Setzt man das Selbstbild der 1,3 Millionen Amerikaner mit den Bedingungen in den einzelnen Staaten in Beziehung, ergibt sich der Studie zufolge eine überraschend starke Korrelation. Das subjektive Glück spiegelt sich tatsächlich in unabhängigen Größen, statistisch gesehen gilt der Satz: "Zeige mir wo du wohnst und ich sage dir, wie glücklich du bist."

Letzter Platz: New York

Platz eins für Louisiana in dieser Rangliste ist insofern überraschend, als dort Hurrikan Katrina vor vier Jahren beträchtliche Verwüstungen angerichtet hat, die dem Lebensglück wohl nicht unbedingt förderlich gewesen sind. Oswald gibt zu, dass man dieses Einzelergebnis mit Vorsicht zu genießen habe: Erstens seien die meisten Umfragedaten vor 2005 gewonnen worden. Zweitens seien viele Menschen, die wegen Katrina ihr Heim verloren haben, aus Lousiana weggezogen - und ihre offensichtliche Unzufriedenheit nicht entsprechend erfasst worden.

Am unteren Ende des Rankings gibt es ebenfalls ein paar Überraschungen: New York erweist sich als jener Bundesstaat, dessen Bewohner im nationalen Vergleich am wenigsten glücklich sind. Nicht viel besser schneidet der Sonnenstaat Kalifonien ab - Platz 46 von 51. "Wir wurden oft gefragt, warum gerade New York und Kalifornien so schlecht abschneiden", sagt Andrew Oswald.

"Als jemand, der in verschiedenen Teilen der USA gelebt hat, muss ich sagen: Ich bin keineswegs überrascht. Viele Leute glauben, diese Staaten seien ein wundervoller Ort zum Leben. Das Problem ist allerdings: Wenn das zu viele glauben und in diese Staaten ziehen, dann sind Staus und überhöhte Grundstückspreise die Folge. Und der Wunschtraum wird zur sich niemals erfüllenden Prophezeihung. In gewisser Weise ist es wie an der Börse. Wenn alle glauben, es sei großartig, Aktie X zu kaufen, dann wird sie irgendwann überbewertet sein. Gewinne erzielt man in der Regel abseits des Spotlights - es könnte sein, dass das auch für die Frage nach dem besten Wohnort zutrifft."

Das Wohlstandsparadox

Dass Geld allein nicht glücklich macht, ist eine Erkenntnis, zu der man auch ohne Hilfe der Wissenschaft hätte kommen können. Aber es ist zumindest gut zu wissen, dass diese Feststellung mehrfach bestätigt wurde. Etwa durch Untersuchungen an Lottogewinnern, sowie - vielleicht noch aufschlussreicher - durch transkulturelle Vergleiche.

Einer Erhebung der London School of Economics zufolge gehören die Bewohner westlicher Industriestaaten keineswegs zu den glücklichsten auf diesem Planeten. Die zufriedensten Menschen wohnen weit abseits des öknomischen Scheinwerferlichts: in Bangladesch, Aserbeidschan, Nigeria und auf den Philippinen.

Robert Czepel, science.ORF.at

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