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Uni Wien

Der steinige Weg zum Doktorat

Ein abgeschlossenes Doktoratsstudium kann im späteren Berufsleben einen deutlichen Einkommensvorsprung bescheren. Für eine wissenschaftliche Karriere ist der Abschluss ohnehin Voraussetzung. Der Weg dorthin ist jedoch vor allem für Sozialwissenschaftler steinig.

Bildung 06.01.2010

Besonders die Vereinbarkeit mit einer oft unvermeidlichen Erwerbstätigkeit wird laut einer Wiener Studie wenn nicht gar zum Fallstrick, so doch zum Hemmschuh.

Wie lebt ein Doktorand?

Über die Situation von Dissertanten in sozialwissenschaftlichen Fächern war bisher wenig bekannt. Forscherinnen der "in{}fem Forschungswerkstatt für feministische Interdisziplinarität" haben daher von April bis August 2008 dazu eine Studie durchgeführt. Beauftragt wurde sie vom Graduiertenzentrum der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Wien und der Arbeiterkammer Wien.

Luxus Doktorat

Die Studie im Überblick:

Im Mittelpunkt der Untersuchung standen laut den Autorinnen Doris Bammer und Petra Ziegler drei Forschungsschwerpunkte: die biografischen und sozioökonomischen Bedingungen, die Finanzierung des Studiums sowie die Wünsche und Bedürfnisse der Studierenden. Dafür wurden eine Onlinebefragung und vertiefende Leitfadeninterviews durchgeführt.

Die 115 Befragten waren überwiegend Frauen. 40 Prozent davon waren Studierende der Politikwissenschaft, 28 Prozent Soziologen, 19 Prozent Kultur- und Sozialanthropologen sowie 13 Prozent Publizisten.

Beitrag "Erwerbstätigkeit und Doktoratsstudium - ausgewählte Studienergebnisse zur sozioökonomischen Situation von DoktorandInnen an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Wien" von Doris Bammer und Petra Ziegler in der SWS-Rundschau(4/2009).

"Ich würde sagen, ein Doktoratsstudium ist grundsätzlich nach wie vor eine Geschichte des Luxus." Dieses Zitat eines der Interviewten beschreibt die Situation der meisten Studienteilnehmer. Das Doktorat ist etwas, das man sich als Luxus leistet, aber eben auch leisten können muss. Wenig verwunderlich also, dass insgesamt 86 Prozent der Befragten erwerbstätig sind.

Das Ausmaß dieser Beschäftigung ist laut den Forscherinnen durchaus "groß", immerhin arbeitet mehr als die Hälfte mehr als 30 Wochenstunden. Teilweise erhalten die Studierenden auch Stipendien, laut Befragung am häufigsten in der Soziologie. Viele Bezieher arbeiten jedoch zusätzlich.

Vertreten sind generell alle Arten von Erwerbstätigkeit: Angestellte, Beamte, Freiberufler, Selbstständige und Freie Dienstnehmer. Die meisten verdienen allerdings eher unterdurchschnittlich, nämlich zwischen 500 und 1.500 Euro brutto. Das mittlere Einkommen eines promovierten Sozialwissenschaftlers beträgt laut den Autorinnen zum Vergleich beachtliche 3.570 Euro brutto.

Prekäre Verhältnisse

Immerhin arbeiten 55 Prozent der Befragten in einem wissenschaftlichen Berufsfeld. Was nach einer sinnvollen Kombination klingt, kann sich aber auch als Hindernis herausstellen. Universitäts- oder wissenschaftsnahe Arbeit stimmt nämlich nicht unbedingt inhaltlich mit dem Inhalt des Doktorats überein.

Laut den Studienergebnissen bringt die wissenschaftsnahe Projektarbeit zudem zahlreiche Belastungen: Geringe Bezahlung und hoher zeitlicher Aufwand führen u. a. dazu, dass das Doktorat im Zweifelsfall hintangestellt wird. Für manche wird es sozusagen fast zum Hobby.

Zusätzliche Erschwernisse gebe es, wenn die Dissertanten selbstständig Forschungsprojekte durchführen. Immer wieder kommt es zu Stehzeiten, und aufwendige Antragsverfahren werden als Zeit- und auch Geldverlust wahrgenommen.

Vollstipendien gefragt

Vollstipendien werden von den meisten Befragten prinzipiell zwar begrüßt, die dabei angebotenen Leistungen seien aber sehr variabel, die ausbezahlte Summe beträgt zwischen 850 und 1.200 Euro im Monat, manchmal ist auch noch die Sozialversicherung selbst zu entrichten. Generell finden allerdings 54 Prozent, dass eine Nebenerwerbstätigkeit im Gegensatz zu Vollstipendien zusätzliche Qualifikationsmöglichkeiten bietet.

Manche der Gesprächspartner wiesen laut den Autorinnen außerdem darauf hin, dass für sie trotz Stipendium oder Einkommen ein Doktorat ohne familiäre finanzielle Unterstützung einfach nicht möglich wäre.

Der lange Weg zum Abschluss

Auch wie lang ein Doktoratsstudium dauert, ist sehr unterschiedlich. Im Durchschnitt sind Frauen deutlich länger inskribiert.

Die Studiendauer hängt laut den Befragten sehr stark von der Betreuungssituation ab - eine besonders negative Einschätzung haben hierzu die Publizistikstudenten. Inhaltliche Schnittmengen zwischen Beschäftigung und Doktorat werden als positive Faktoren in Hinblick auf einen Abschluss bewertet.

Über einen möglichen Studienabbruch aufgrund von Unvereinbarkeit mit dem Arbeitsleben denken Frauen deutlich häufiger nach. Grund für diesen deutlichen geschlechtsspezifischen Unterschied könnte auch Ungleichbehandlung vor allem in Bezug auf berufliche Perspektiven sein, wie die Interviews gezeigt haben. Zudem stellt die Vereinbarkeit mit der Familie für Frauen meist eine größere Hürde dar.

Der flexible Doktorand

Die Lebenssituation der Dissertanten der Sozialwissenschaft verlangt laut den Autorinnen jedenfalls ein hohes Maß an Flexibilität - Mehrfachbeschäftigungen, befristete Verträge, Projektleerläufe und vor allem die fehlende Zeit machen den Abschluss zu einem Organisationskunststück.

Erleichterung brächten zielgruppenspezifische Angebote, mögliche Sammelpublikationen, neue Förderungsmöglichkeiten, soziale Absicherung und bessere institutionelle Einbindung von nicht an der Universität beschäftigen Doktoranden.

Die Realität sieht laut den Forscherinnen allerdings anders aus: Der neue Doktoratsstudienplan mit zusätzlichen Lehrveranstaltungsstunden bringt sogar neue Hürden mit sich. Zudem befürchten sie, dass die Ungleichheit zwischen den Dissertanten noch zunehmen werden, auf der einen Seiten die geförderten und universitär eingebundenen Absolventen von Initiativkollegs, auf der anderen Seite voll erwerbstätige "Hobbydoktoranden".

Eva Obermüller, science.ORF.at

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