Standort: science.ORF.at / Meldung: "Lebenserwartung prägt die Partnerwahl"

hochzeitsfoto eines glücklichen Paars

Lebenserwartung prägt die Partnerwahl

Der Gesundheitszustand einer Gesellschaft bestimmt offenbar zum Teil, was Frauen attraktiv finden: In Ländern mit eher schlechter medizinischer Versorgung haben maskuline Männer bei ihnen - relativ - bessere Karten.

Biologie 17.03.2010

Schwankende Vorlieben

"Auch in der Liebe haben die feinsten Austernesser manchmal Appetit auf a paar Knödl und a G'selchts." Was die Auster und was der Knödel ist, mag jede/jeder für sich selbst entscheiden, Johann Nestroy ließ es offen. In einer Hinsicht hatte der österreichische Satiriker jedenfalls Recht: Der sexuelle Gusto kann mitunter beträchtlich schwanken.

Studien zeigen etwa, dass Frauen in fruchtbaren Phasen maskulinere Männer bevorzugen als sie es normalerweise tun. Und sie neigen diesen auch dann zu, sofern die angebahnte Beziehung kurzfristig orientierten Freuden dient.

Konnex zu Gesundheitssystem

Die Studie "The health of a nation predicts their mate preferences: cross-cultural variation in women’s preferences for masculinized male faces" ist in den Proceedings of the Royal Society erschienen (doi: 10.1098/rspb.2009.2184).

Die britische Psychologin Lisa DeBruine hat dieser Kuriositätenliste nun ein neues Detail hinzugefügt: Sie und ihre Mitarbeiter haben knapp 4.800 Frauen aus 30 vorwiegend westlichen Ländern Fotos von Männern zur Wahl vorgelegt, und zwar jeweils in einer (künstlich hergestellten) femininen bzw. männlichen Variante.

Die Präferenzen der Frauen setzten die britischen Psychologen mit Gesundheitsstatistiken der WHO in Beziehung, in denen Sterberaten von Kindern und Erwachsenen, die Lebenserwartung sowie Todesfälle durch ansteckende Krankheiten verarbeitet wurden.

"Gemorphte" Gesíchter: Feminin links, maskulin rechts. Im Hintergund zu sehen: Teile des Globus.

Lisa DeBruine

"Gemorphte" Gesíchter: feminin links, maskulin rechts.

Das Resultat: Je niedriger der Gesundheits-Index einer Nation war, desto eher entschieden sich die Probandinnen für das kantigere, virile Erscheinungsbild. Keinen Zusammenhang fanden DeBruine und Kollegen indes zum Einkommen des jeweiligen Landes (BNE), kulturelle Unterschiede der Partnerwahl (Interesse an kurz- oder langfristigen Beziehungen) spielten ebenfalls keine Rolle.

Nutzen vs. Kosten

Das Ergebnis bestätigt eine Theorie der sexuellen Selektion, die die Partnerwahl als Kompromiss zwischen Nutzen und Kosten betrachtet. Männliche Partner gelten demnach zwar als Träger "guter Gene". Der Zusammenhang ist keineswegs lückenlos gesichert, Untersuchungen zufolge weisen maskuline Gesichtszüge zumindest auf einen guten Gesundheitszustand hin.

Aber maskuline Männer gelten laut Umfragen an Frauen als egoistisch und in Beziehungs- und Familienfragen als tendenziell unzuverlässig. Das mag ein Klischee sein - gleichwohl eines mit wahrem Kern, wie entsprechende Statistiken zeigen.

Folglich gilt es abzuwägen: Gene oder Familie? Die Theorie behauptet nicht, dass diese Abwägung bewusst passiert. Aber sie sagt voraus, dass die Entscheidung, je nach Lebensumstand, mit unterschiedlichen Schwerpunkten ausfallen wird. Lisa DeBruine und ihr Team zeigen nun: Je schlechter die Gesundheitsbedingungen sind, desto wichtiger werden offenbar die "guten Gene". Ob dieser Zusammenhang auch für sehr arme Staaten gilt, bleibt angesichts der beschränkten Länderauswahl offen.

Robert Czepel, science.ORF.at

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