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Anthropologen in einer Höhle

Neue Menschenart in Sibirien entdeckt

Vor 40.000 Jahren lebten Neandertaler und moderne Menschen nicht gerade friedlich miteinander im europäischen und asiatischen Raum. Offenbar wurde Asien damals von einer weiteren Menschenart bevölkert: Anthropologen haben in Sibirien Überbleibsel einer bisher unbekannten Spezies entdeckt.

Anthropologie 24.03.2010

Ein Forscherteam um Svante Pääbo und Johannes Krause vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig hat mitochondriale DNA aus einem in Südsibirien gefundenen Fingerknochen sequenziert. Sie stammt von einer Menschenform, die vor etwa 48.000 bis 30.000 Jahren im Altai-Gebirge in Zentralasien gelebt hat.

Die Studie "The complete mitochondrial DNA genome of an unknown hominin from southern Siberia" ist am 23.3. online in "Nature" erschienen.

Auf obigem Bild zu sehen: Archäologen in der Denisova-Höhle im August 2005. Hier wurde ein kleines Stück Fingerknochen gefunden, das die Forscher nun einer neuen Menschenform zugeordnet haben.

Die Forscher verglichen die Erbinformation der nach dem Fundort "Denisova-Hominin" genannten Menschen mit jener von Neandertalern und von modernen Menschen und fanden deutliche Unterschiede. Sie schlossen daraus, dass alle drei Menschenarten vor etwa einer Million Jahren einen gemeinsamen Vorfahren hatten. Dieser gemeinsame Vorfahre ist etwa doppelt so alt wie der gemeinsame Vorfahre von modernen Menschen und Neandertalern (ca. 470.000 Jahre).

Einmal mehr "out of Africa" gewandert

Pääbo und Kollegen schließen aus der Analyse des mitochondrialen Erbguts auch auf eine bisher unbekannte Auswanderungswelle aus Afrika, die vor einer Million Jahren stattgefunden hat. Sie unterscheidet sich von derjenigen, die Homo erectus, Vorfahren der Neandertaler und des Homo sapiens beschritten haben.

Homo erectus verließ Afrika vor etwa 1,9 Millionen Jahren. Archäologische Funde sowie genetische Daten deuten darauf hin, dass wenigstens zwei weitere Gruppen Afrika später verließen: zuerst, vor etwa 500.000 bis 300.000 Jahren, die Vorfahren des Neandertalers.

Danach, vor etwa 50.000 Jahren, der anatomisch moderne Mensch. Direkte Nachfahren von Homo erectus könnten bis vor weniger als 100.000 Jahren in Indonesien überlebt haben, heißt es in einer Aussendung der Max-Planck-Gesellschaft.

Vier Menschenarten zeitgleich?

Fundstelle der neuen Menschenart in Sibirien

Johannes Krause

Blick von knapp oberhalb der Denisova-Höhle, im Tal das Ausgrabungscamp

Ältere Vertreter von Homo erectus und Homo heidelbergensis lebten auch in nördlicheren Breitengraden, zum Beispiel vor mehr als 125.000 Jahren im Altai-Gebirge im südlichen Sibirien. Auch Neandertaler lebten zu dieser Zeit in Sibirien.

Der Knochen, aus dem die DNA der Genanalysen stammt, wurde 2008 in der Denisova-Höhle im Altai-Gebirge im südlichen Sibirien gefunden. In der Höhle lebten Menschen bzw. Menschenvorfahren mit Unterbrechungen seit über 100.000 Jahren, dementsprechend umfangreich sind an diesem Ort die Knochen- und Werkzeugfunde.

Sollten zukünftige Forschungen die aktuelle Studie bestätigen, dürften vor rund 40.000 Jahren also gleich mehrere Homo-Arten gleichzeitig existiert haben: neben Homo sapiens und Neandertaler nun also auch die Denisova-Linie. Und nicht zu vergessen: Homo floresiensis, jener 2003 auf einer indonesischen Insel entdeckte Mensch, bei dem aber noch immer nicht restlos geklärt ist, ob er tatsächlich zu einer eigenständigen Art gehört.

science.ORF.at

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