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Jemand hält zwei grüne Äpfel in der Hand vor einem Regal mit weiteren Äpfeln.

Auf der Suche nach dem Jungbrunnen

Wer hungert, lebt länger und bleibt gesund. Das legen zumindest zahlreiche Studien an Bierhefe, Fruchtfliegen, Würmern und Mäusen nahe. Zunehmend wird klarer, was dabei auf molekularer Ebene passiert. Das weckt Hoffnungen beim Menschen: die Entwicklung zielgerichteter Medikamente, die uns ohne quälende Diät zur "ewigen Jugend" verhelfen.

Lebenserwartung 15.04.2010

Noch sind allerdings viele Fragen offen, vor allem wenn es um so komplexe Organismen wie den menschlichen geht. So lautet das Resümee des aktuellen Reviews eines Forscherteams rund um Luigi Fontana von der Washington University School of Medicine.

Den Verfall stoppen

Salopp gesprochen ist Altwerden nichts anderes als der kontinuierliche körperliche Verfall: Die Schäden in Zellen und Organen häufen sich, Körperfunktionen gehen verloren, am Ende stehen Krankheit und Tod. Diesen scheinbar unumkehrbaren Prozess zumindest aufzuhalten oder zu verzögern, ist ein noch unerfüllter Menschheitstraum.

Vieles deutet daraufhin, dass es abgesehen von schädlichen Umwelteinflüssen zwei maßgebliche Faktoren für ein langes und gesundes Leben gibt: die genetische Grundausstattung und die Ernährung. An ersterem kann man kaum etwas ändern, letzterer bietet aber hoffnungsvolle Ansatzpunkte.

Die Studie in "Science": "Extending Healthy Life Span-From Yeast to Humans" von Luigi Fontana et al.

Also beschäftigen sich seit Jahren ganze Heerscharen von Wissenschaftlern damit, wie sich eine kalorienreduzierte Diät auswirkt und was genau dabei im Körper geschieht. Fontanas Gruppe hat sich nun sämtliche jüngere Studien an diversen unterschiedlich komplexen Modellorganismen angesehen und versucht, die wesentlichen Erkenntnisse herauszudestillieren. Unter anderem zeigte sich, dass Fasten - also eine Reduktion der Nährstoffzufuhr um zehn bis 50 Prozent - ähnliche Effekte wie manche Mutationen erzeugt. Von diesen weiß man, dass sie das Leben verlängern, indem sie die Aktivität bestimmter Signalwege hemmen.

Hungernde Modellorganismen

Lebensdauertabelle von der Bierhefe bis zum Menschen

Science

Lebensverlängernde Effekte von Diät und Mutationen.

Das einfachste dabei untersuchte Lebewesen ist die Bierhefe. Der Einzeller eignet sich laut den Forschern hervorragend für die Suche nach essentiellen genetischen Mechanismen, die auch die Lebensspanne von Mehrzellern ausdehnen könnten. Man fand zwei zentrale nährstoffsensible molekulare Signalwege, die auf Aminosäuren sowie bestimmte Proteine reagieren. Blockiert man die beiden, verlängerte sich das Leben der Bierhefe; dasselbe passiert, wenn diese hungert.

Ein weiteres, schon etwas komplexeres Modelltier ist der Fadenwurm C. elegans. Wie es aussieht, sind auch bei ihm zwei bestimmte molekulare Signalwege wesentlich am Alterungsprozess beteiligt, einer davon hat mit dem insulinähnlichen Wachstumsfaktor 1 (IGF-1) zu tun.

Auch bei der Fruchtfliege Drosophila wurde der Zusammenhang zwischen Kalorienreduktion, zellulärer Kommunikation und Alter untersucht. Bei dem molekularbiologischen Lieblingstier entdeckten Forscher ebenfalls Signalwege, deren genetische Blockierung dem Hungern ähnelt. Sie verlängern die Lebensdauer der Tiere, interessanterweise mehr bei den Weibchen als bei den Männchen.

Ganz generell ist Hungern laut den Forschern bei diesen Modellorganismen nicht ganz so effizient wie eine entsprechende Mutation: Beispielsweise verdoppelt sich die Lebensspanne bei der Bierhefe, wenn sie hungert; bei einer genetischen Veränderung wird sie zehnmal so lang, ganz ähnlich das Verhältnis beim Fadenwurm.

Verlängerung der "Gesundheitsspanne"

Auch die Untersuchung von Mäusen - als Säugetiere dem Menschen schon etwas näher - kam zu vergleichbaren Ergebnissen, auch hier verlängert eine verminderte Aktivität bestimmter Signalwege das Leben, involviert ist hier ebenfalls IGF-1, Insulin und ein Wachstumshormon.

Wichtigstes Ergebnis: Die Kalorienreduktion verlängerte die Lebensspanne der Tiere um 60 Prozent, zum Teil deswegen, weil sich das Ausbrechen chronischer Krankheiten verzögerte; viele starben gesund. Für Luigi Fontana ein wesentlicher Aspekt bei der Umsetzung: "Schon jetzt werden viele Menschen immerhin 80 Jahre alt, aber viel zu viele sind ab dem 50. Lebensjahr krank. Sinnvolle Eingriffe sollten nicht unbedingt die Lebensspanne, sondern vor allem die 'Gesundheitsspanne' ausweiten."

Direkte oder indirekte Wirkung?

Erst in den Kinderschuhen stecke allerdings die Forschung an Primaten und menschlichen Freiwilligen. Bis jetzt kennt man nur wenige genetische Faktoren, die das Leben verlängern. Sicher allerdings ist, dass Fasten unter anderem gegen Übergewicht, Zuckerkrankheit, Entzündung und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugend wirkt. So gesehen ist es zumindest indirekt auch lebensverlängernd. Für eine Wirksamkeit des Aushungerns an sich, müsste aber noch einiges geklärt werden, denn es gebe doch erhebliche Unterschiede zu den viel einfacheren Versuchstieren.

Vorsicht sei außerdem beim exzessiven Fasten geboten, dieses schädige nämlich das Immunsystem und die Knochen. Zudem beeinträchtige es die Fortpflanzungsfähigkeit, die Wundheilung sowie die Regulierung der Körpertemperatur.

Auch die Art der Diät spielt möglicherweise eine Rolle. So gebe es z.B. Hinweise, dass vor allem eine Reduktion der Proteine gesundheitsfördernd ist. Das deckt sich mit epidemiologischen Studien an Menschen, die wenig oder gar kein Fleisch essen.

Gesund essen kann nicht schaden

Dennoch sind die Forscher überzeugt, dass alle Lebewesen über eine Handvoll molekularer Mechanismen verfügen, die sie gesund über Hungerphasen bringen und so lebensverlängernd wirken könnten. Aber um alle zellulären Wechselwirkungen zu verstehen und somit auch mögliche Nebenwirkungen auszuschließen, bedürfe es noch zahlreicher Studien.

Der Traum von der lebensverlängernden Pille muss wohl noch eine Weile auf seine Erfüllung warten. Eine nährstoffreiche, aber kalorienarme Ernährung kann jedoch in keinem Fall schaden. So hat das Medizinjournal "The Lancet" im Editorial seiner neuesten Ausgabe die Forderung nach "Fünf Portionen Obst und Gemüse pro Tag" erneuert. Auch wenn die krebsvorbeugende Wirkung dieser Maßnahme bei weitem überschätzt worden sei, der Gesundheit sei sie in jedem Fall zuträglich.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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