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Die leuchtende Tiefseequalle Periphylla periphylla

Warum Lebewesen leuchten

Manche Lebewesen besitzen die erstaunliche Fähigkeit, selbst Licht zu erzeugen. Besonders die Weltmeere sind voll mit derartig begabten Bewohnern. Die Biolumineszenz hilft ihnen etwa bei der Nahrungs- oder Partnersuche sowie bei der Flucht vor Feinden. Trotz der offensichtlichen Vorteile ist bis heute nicht restlos klar, wie sich diese energieraubende Eigenschaft entwickelt hat.

Biolumineszenz 07.05.2010

Jedenfalls dürfte sie mehrmals unabhängig voneinander entstanden sein, wie Edith A. Widder von der Ocean Research and Conservation Association in einem aktuellen Review zum derzeitigen Stand der Forschung schreibt.

Erstaunliche Vielfalt

Der größte Teil aller leuchtenden Organismen lebt im Ozean: Von den insgesamt über 700 Gattungen, in denen sie vorkommen, sind immerhin etwa 80 Prozent Meeresbewohner, u.a. Bakterien, Fische, Krebse sowie Quallen, welche besonders häufig leuchten. Offensichtlich hat sich das Merkmal bei nicht miteinander verwandten Arten parallel entwickelt und durchgesetzt.

Dafür sprechen laut Widder auch die große Unterschiede hinsichtlich der zugrundeliegenden chemischen Vorgänge, der Leuchtkraft sowie der Farbe des Lichts: Praktisch das gesamte Spektrum kommt vor. Die häufigste Farbe ist allerdings Blau; aufgrund seiner Wellenlänge hat es die größte Reichweite im offenen Meer. Danach kommt Grün, welches vor allem in unruhigeren küstennahen Gewässern besser sichtbar ist. Violett, Gelb, Orange oder Rot gibt es hingegen nur sehr selten. Von letzteren Farben weiß man weder, wie sie chemisch zustande kommen noch unter welchen Bedingungen sie nützlich sind.

In sicheren Tiefen

Die leuchtende Tiefseequalle //Periphylla periphylla//

E.A. Widder

Die leuchtende Tiefseequalle Periphylla periphylla

Die Biolumineszenz hat zudem ganz unterschiedliche Funktionen. In irgendeiner Weise haben aber die meisten mit der speziellen Umgebung zu tun, in der sie entstanden ist. Im offenen Meer können sich Tiere nur sehr schwer verstecken. Das Sonnen- oder Mondlicht nimmt erst mit zunehmender Tiefe ab, unter 1.000 Metern wird es jedoch ganz finster. Das hat dazu geführt, dass zahlreiche Meerestiere sich tagsüber in die dunklen Tiefen zurückziehen und nur nachts nach oben kommen, wo das Nahrungsangebot deutlich größer ist.

Eine wesentliche Folge dieser Migrationsbewegung: Die meisten Meeresbewohner verbringen einen großen Teil ihres Lebens in völliger Dunkelheit. Die Biolumineszenz hilft den Tieren beim Überleben: Sie hilft bei der Nahrungssuche, spezielle, oft nur zeitlich begrenzt eingesetzte Leuchtmuster werden bei der Partnersuche verwendet und das Leuchten kann eine wirksame Verteidigung sein. Laut Widder ist letzteres vermutlich die häufigste Funktion und tritt in unterschiedlichsten Formen auf.

Leuchtende Verteidigungsstrategien

Die Tiefseequalle Periphylla periphylla

E.A. Widder

Die Tiefseequalle Periphylla periphylla

Manche Tiere wie etwa Tintenfische oder Quallen geben leuchtende Chemikalien ab, die im Wasser Lichtwolken bilden, welche Räuber ablenken oder blenden. Andere überziehen die Feinde mit einem leuchtenden Schleim, der diese wiederum zu leichten Opfern für Dritte macht.

Manche produzieren Licht, wenn sie selbst gefangen werden, mit der Absicht, Feinde des Räubers anzuziehen und selbst flüchten zu können. Biolumineszenz kann auch eine Warnung sein, die Ungenießbarkeit signalisiert. Die meisten der genannten Funktionen leiten sich laut der Wissenschaftlerin aus der Morphologie der Tiere ab, experimentelle Studien oder direkte Beobachtungen seien naturgemäß rar.

Tauchgänge mit ferngesteuerten Geräten brächten zwar regelmäßig neue seltsame Lebewesen zum Vorschein, wie etwa im vergangenen Jahr Würmer, die Leuchtbomben werfen. Aber Verhaltensweisen ließen sich nur mit Methoden beobachten, die nicht stören, sprich selbst kein Licht aussenden. Erst jetzt gebe es erste optische Verfahren, die das ermöglichen.

40 unabhängige Entwicklungslinien

Auch biochemisch habe das Leuchten ganz unterschiedliche Grundlagen. Gemeinsam ist ihnen nur, dass sie ausreichend Energie erzeugen können.

Der bekannteste natürliche Leuchtstoff ist das "grün fluoreszierende Protein" (GFP), das in einer leuchtenden Qualle vorkommt und für dessen Entdeckung und Erforschung 2008 sogar ein Nobelpreis vergeben wurde.

Schätzungen auf Basis der unterschiedlichen biochemischen Prozesse gehen davon aus, dass sich Biolumineszenz im Meer etwa 40 Mal unabhängig voneinander entwickelt hat, zum Teil sogar innerhalb einer Art. Widder zufolge hat es in den Tiefen vermutlich einen großen Selektionsdruck gegeben, besser zu sehen sowie sichtbar zu werden. Die konvergente Entwicklung und das häufige Vorkommen zeige jedenfalls, wie wichtig die Eigenschaft für das Überleben im Meer war und ist.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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