Biomusterland Österreich
"Bio" ist speziell in Österreich weiter voll im Trend. Knapp 550.000 Hektar werden hierzulande von rund 22.000 landwirtschaftlichen Betrieben nach ökologischen Kriterien bewirtschaftet - zertifiziert durch das Landwirtschaftsministerium. Das sind immerhin knapp 20 Prozent aller Anbauflächen des Landes.
Zum Vergleich: In Italien und Schweden - jene Länder, die in Europa in der "Biorangliste" folgen - sind es rund zehn Prozent. Der EU-Durchschnitt liegt bei rund vier Prozent. Weltweit werden mittlerweile jährlich 28,5 Milliarden Euro an Biowaren umgesetzt, das ist eine Verdopplung gegenüber dem Wert des Jahres 2000.
Dass ökologischer Landbau - zumal in einem kleinstrukturierten Land wie Österreich - eine Reihe von Vorteilen birgt, ist unbestritten. Er belastet die Böden nicht mit synthetischem Dünger und Schädlingsbekämpfungsmitteln, was sich positiv auf die Artenvielfalt auswirkt. Er sorgt für eine artgerechtere und damit schonendere Tierhaltung. Und er stellt Produkte her, die für den Konsumenten gesünder sind und unter Umständen auch noch besser schmecken.
Vögel im Freien und im Labor untersucht
Die Studie:
"Birds select conventional over organic wheat when given free choice" erscheint im "Journal of the Science of Food and Agriculture".
Zumindest die letztere Annahme wird - sofern man Tiere auch als Konsumenten begreift - durch eine neue Studie von britischen Forschern in Zweifel gezogen. Die Biologin Ailsa McKenzie von der Universität Newcastle und ihr Kollege Mark Witthingham haben das Fressverhalten von Vögeln untersucht, und zwar sowohl in freier Natur als auch im Labor.
Im ersten Teil ihrer Studien stellten sie zu Beginn der Jahre 2008 und 2009 jeweils insgesamt 50 Futterstationen im Norden Englands auf. Gefüllt waren sie jeweils zur Hälfte mit konventionell bzw. biologisch hergestellten Weizenkörnern.
Sechs Wochen lang verfolgten nun die Biologen das Fressverhalten von Meisen, Amseln und der ganzen anderen Vogelschar, die sich an den Futterstationen einfand. Um etwaige Gewöhnungseffekte auszuschließen, vertauschten sie den Zugang zu den beiden Futterarten nach der Hälfte der Zeit.

University Newcastle
Ailsa McKenzie mit einer Futterstation
Klare Mehrheit gegen Biokörndeln
Das Resultat war in beiden Jahren signifikant: Die Vögel bevorzugten nach einer gewissen Lernphase eindeutig die Weizenkörner aus traditioneller Landwirtschaft. Im ersten Jahr lautete das Verhältnis 45:55 Prozent zu Ungunsten der Biokörndeln, im zweiten Jahr gar 40:60.
"Wenn sie frei wählen können, bevorzugen Vögel die herkömmliche Nahrung", fasst es Ailsa McKenzie zusammen. Laborstudien mit Kanarienvögeln unterstrichen diesen Trend, der durchaus im Gegensatz zu früheren Studien steht.
Schon vor 20 Jahren haben Forschergruppen um Alberta Velimirov - heute am Forschungsinstitut für biologischen Landbau - gezeigt, dass Ratten und Hühner lieber Ökofutter fressen. Die entsprechenden Studien (z.B. hier) dauerten damals aber nur einige Tage, die britischen Forscher haben die Vögel über Wochen beobachtet.
Mehr Proteine in konventionellen Produkten
Einen Grund für ihren Hang zu konventionell erzeugtem Futter, haben die Forscher ebenfalls entdeckt. Nach der Analyse von insgesamt 16 Faktoren (Korngröße, Härte, Pestizidrückstände, mikrobielle Verschmutzung, Mycotoxine etc.) stellte sich der unterschiedliche Proteingehalt der Körner als Ursache heraus.
Speziell in den Wintermonaten brauchen die Vögel mehr Eiweiß, und das war bei den Bioweizenkörnern im Schnitt um zehn Prozent weniger enthalten. Auch kein Wunder, denn die Stickstoffdüngung der konventionellen Landwirtschaft sorgt für mehr Proteine.
Das erklärt auch die Unterschiede zu den früheren Studienresultaten. "Wir haben bei den Tests mit Hühnern und Ratten darauf geachtet, nur jene biologisch und konventionell hergestellten Futtermittel zu vergleichen, deren Inhaltsstoffe ident waren. Die aktuelle Studie besagt nicht viel mehr, als dass Vögel eiweißreichere Nahrung bevorzugen", meint Alberta Velimirov gegenüber science.ORF.at.
Spricht nicht gegen Biolandwirtschaft
Dass die Studie nicht gegen den Ökolandbau spricht, davon ist auch die Autorin Ailsa McKenzie überzeugt. "Er ist gut für die Umwelt und die Biodiversität", meint die Biologin, die selber auch weiter Bioprodukte konsumieren will. "Ich mache das aber nicht, weil sie gesünder sind", verriet sie science.ORF.at, "sondern weil die Lebensmittel saisonal und lokal hergestellt werden und am wichtigsten: weil der Ökolandbau am umweltfreundlichsten ist."
Lukas Wieselberg, science.ORF.at
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