Über den speziellen Fall einer Tradition im Tierreich berichten der Zoologe Alex Thornton von der Universität Cambridge und Kollegen in einer aktuellen Studie.
Die Studie:
" Multi-generational persistence of traditions in neighbouring meerkat groups" von Alex Thornton
et al in den "Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences" (sobald online).
Aufstehzeiten aus elf Jahren
Wenn Angehörige der gleichen Tierarten verschiedenes Verhalten zeigen, kann es an genetischen oder umweltbedingten Unterschieden liegen. Studien zu sozial erlernten Verhaltensweisen, die über mehrere Generationen bzw. innerhalb von Gruppen weitergegeben werden, gelten laut den Forschern aus verschiedenen Gruppen als umstritten. Deshalb haben sie nach Eigenangaben ein bisher einzigartiges Versuchssetting gewählt.
Elf Jahre lang verfolgten sie das Schicksal von 15 Gruppen von Erdmännchen (Suricata suricatta) in der südafrikanischen Kalahari-Wüste. Die Tiere waren mit tragbaren Sendern ausgestattet, sodass ihre Bewegungen exakt nachvollzogen werden konnten. Auch ihr Gewicht wurde ständig kontrolliert.
Mindestens zweimal im Monat näherten sich die Forscher vor Sonnenaufgang den Schlafstellen der Erdmännchen und warteten, bis das erste Exemplar seine Nase aus dem schutzgebenden Erdloch steckte. Üblicherweise folgen die anderen Gruppenmitglieder innerhalb kürzester Zeit. Die Aufstehzeiten wurden notiert, elf Jahre lang dokumentiert und nun miteinander verglichen.
Konstante Tagwache im Erdloch

Wilhelma/A9999 Wilhelma
Im Untersuchungszeitraum benutzten die putzigen Tiere in einem Gebiet von rund 100 Quadratkilometern 625 Erdlöcher als Schlafstätten, 27 Prozent davon wurden von mehr als einer Gruppe frequentiert. Die Forscher beobachteten, dass sich die Aufstehzeiten zwischen den Gruppen signifikant unterschieden. Ein Effekt, der unabhängig war von der Gruppengröße, der Futterlage rund um das Erdloch und äußeren Einflüssen wie Wetter oder Beschaffenheit der Erdlöcher.
Die unterschiedliche "Tagwache" der Erdmännchen setzte sich über mehrere Generationen fort: Tiere, die in die Gruppe neu integriert wurden, lernten die Verhaltensweise der anderen. In den elf Jahren der Beobachtung tauschten sich die Mitglieder fast aller Gruppen komplett aus, die Aufstehzeiten blieben dennoch konstant.
Deshalb meinen Alex Thornton und seine Kollegen erstmals einen Fall beobachtet zu haben, bei dem frei lebende Tiere Aktivitäten ihres Alltags als "Traditionen" innerhalb einer Gruppe weitergegeben haben.
Genaue Mechanismen unklar
Ökologische und vor allem genetische Ursachen halten die Forscher für unwahrscheinlich, da der Genpool der Gruppe durch Männchen, die nicht aus der Gruppe stammen, ständig durchmischt wird. "Die genauen Mechanismen, wegen denen sich die Gruppenunterschiede über mehrere Generationen erhalten, bleiben unklar", schreiben sie in ihrer Studie.
"Wir nehmen an, dass die unterschiedlichen Aufstehzeiten als Resultat von Informationskaskaden konstant bleiben. Neue Gruppenmitglieder entscheiden sich aufgrund des Verhaltens der anderen. Damit werden Verhaltensmuster übertragen, lange nachdem der Erfinder des Verhaltens gestorben ist."
Lukas Wieselberg, science.ORF.at
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