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Grasende Kühe bei Sonnenuntergang

Das Gute an Rindern, Schweinen und Schafen

Die Produktion von Fleisch benötigt viel Fläche und Wasser und verstärkt den Klimawandel. Vegetarismus gilt daher als umweltfreundliche Variante der Ernährung. Doch bei genauem Hinsehen gibt es auch gute Argumente, auf Fleisch nicht ganz zu verzichten. Entscheidend ist die richtige Form der Viehwirtschaft.

Umwelt 22.07.2010

Folgen des Fleischkonsums ...

Mit vegetarischem Essen werden mehr Menschen satt. Dieses grundsätzliche Argument aus der Umwelt- und Entwicklungsdebatte gilt nach wie vor. Wenn Menschen pflanzliche Lebensmittel direkt verzehren würden, anstatt sie an Tiere zu verfüttern, um dann das Fleisch zu essen, ließen sich mehr Menschen ernähren. Schließlich gehen mit jedem Schritt der Nahrungskette circa 90 Prozent der Energie verloren und es bleiben nach dem Verfüttern in Summe weniger Kalorien über.

Auch die Umweltfolgen eines hohen Fleischkonsum werden immer wieder kritisiert: Mehrere tausend Liter Wasser werden verbraucht, um ein Kilo Rindfleisch zu produzieren; die Tiere erzeugen Methan, das den Klimawandel verstärkt und Soja als Futtermittel kommt aus Südamerika, wo dafür Regenwald abgeholzt wird.

Eine Reduktion des Fleischkonsums böte also viele Vorteile. Doch gänzlich sollte die Menschheit auf Fleisch und Tiere nicht verzichten, wie in einem Artikel in der aktuellen Ausgabe des „New Scientist“ dargestellt wird.

... als Resultat intensiver Tierhaltung

Viele dieser Probleme entstehen erst, seit der Konsum von Fleisch so stark gestiegen und die Tierhaltung zu einem Hauptproduktionszweig der industrialisierten Landwirtschaft geworden ist. Ursprünglich wurden an Tiere nämlich keine wertvollen agrarischen Produkte verfüttert, die auch dem Menschen als Nahrung gedient hätten. Die Tiere weideten vielmehr auf Flächen, die zum Anbau von pflanzlichen Nahrungsmitteln kaum geeignet waren.

Damit bestand keine Nahrungskonkurrenz zwischen Tier und Mensch. Zudem wäre der Anbau pflanzlicher Nahrungsmittel auf jenen Flächen nur mit großen ökologischen Folgen möglich. Dies gilt noch heute in vielen Gegenden der Erde, vor allem in ariden, also trockenen Gebieten.

Auch in Mitteleuropa hat man in der Viehwirtschaft traditionell keine hochwertigen Ackerbauprodukte als Futter benutzt, sagt Fridolin Krausmann vom Institut für soziale Ökologie an der Universität Klagenfurt. Lange Zeit seien die Tiere vor allem Stroh, Heu und Kleie, einem Nebenprodukt der Mühlen, ernährt worden. Kleie wird noch heute kommerziell als Futtermittel verwendet. Erst in den 1950er- und 1960er-Jahren habe man in Mitteleuropa begonnen, hochwertige Nahrungsmittel, vor allem Getreide, zu verfüttern.

Arbeitstiere und Resteverwerter

Für viele ärmere Menschen in Entwicklungsländern stellen Tiere zudem eine bedeutende Einnahmequelle dar und liefern bei einer allgemein schlechten Ernährungssituation wertvolle tierische Proteine, wie im Artikel des „New Scientist“ argumentiert wird. Laut Krausmann werden Tiere von Kleinbauern oft in erster Linie wegen ihrer Arbeitskraft und als Resteverwerter gehalten. Tierische Produkte sind dann gewissermaßen ein positiver Nebeneffekt.

Düngung und Entsorgungsproblem

Krausmann zufolge ist in einer integrierten Landwirtschaft eine gewisse Menge an tierischer Produktion sogar erwünscht. Die Tiere sind wichtige Lieferanten organischen Düngers. Allerdings ließen sich auf diese Weise nicht jene hohen Fleischmengen produzieren, die eine spezialisierte Land- und Viehwirtschaft erzeugt.

In letzterer würde der Stallmist mitunter sogar zum Entsorgungsproblem – in Österreich zum Beispiel auch in Gebieten, wo die Schweine- oder Geflügelfleischproduktion mit Maisfutter betrieben wird. Zwar werde ein Teil der Gülle auf Feldern ausgebracht oder zu Biogas verarbeitet, mancherorts müssen die Reste die Tierproduktion aber teuer entsorgt werden.

Wolle, Leder und Milch

Neben dem Dünger liefern Tiere aber auch Produkte wie Wolle und Leder. Sie sind ein Nebenprodukt der Schlachtindustrie. Würde die Menschheit vollständig auf Tiere zur Fleischproduktion verzichten, müssten diese Produkte auf anderem Wege hergestellt werden, eventuell auch aus fossilen Energieträgern, sagt Krausmann. Auch Milch und Milchprodukte sind in gewissem Ausmaß an Fleischproduktion gekoppelt. Schließlich muss eine Kuh jedes Jahr kalben, um Milch zu produzieren.

Wachsende Wirtschaft, mehr Fleischkonsum

In Österreich isst man laut Krausmann derzeit 80 bis 100 Kilogramm Fleisch pro Kopf und Jahr – mit den entsprechenden gesundheitlichen Folgen wie Übergewicht und Herz-Kreislaufkrankheiten. Der Artikel des „New Scientist“ kommt zu dem Schluss, dass man zwar weniger Fleisch essen sollte, aber auch nicht ganz darauf zu verzichten braucht.

Doch in industrialisierenden Ländern wie China geht der Trend derzeit in die andere Richtung: Je mehr das Bruttoinlandsprodukt wächst und je mehr die Einkommen steigen, umso mehr Fleisch essen die Menschen. Durch die wachsende Zahl der Menschen auf der Erde steigt der weltweite Fleischkonsum weiter.

An Krausmanns Institut hat man geschätzt, wie sich eine Reduktion des individuellen Fleischkonsums auf die insgesamt verbrauchte Menge auswirkt. Würde bis 2050 bei einer Weltbevölkerung von etwa 9 Milliarden Menschen der durchschnittliche persönliche Fleischkonsum weltweit nur 45 Prozent jenes Niveaus erreichen, das man derzeit in Industriestaaten vorfindet, würde bis dahin der globale Fleischverbrauch immer noch um 20 Prozent steigen. Eine Reduktion des globalen Fleischverbrauchs um 20 Prozent hingegen ließe sich nur erreichen, wenn man in Industriestaaten den Verzehr von tierischem Protein um zwei Drittel reduzieren würde und Menschen auch in anderen Ländern nicht mehr Fleisch essen. (PDF zur Studie).

Krausmann warnt vor weitreichenden negativen Konsequenzen für die globale Umwelt und damit letztlich für den Menschen, sollte dagegen das derzeitige Verbrauchsniveau der Industrieländer globaler Standard werden. Denn dies wäre nur durch eine massive Intensivierung und Expansion der globalen Landwirtschaft möglich.

Mark Hammer, science.ORF.at

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