Wenn die Kosten von fünf auf 15 Milliarden Euro anstiegen, müsse man Konsequenzen für andere Forschungsprojekte in Europa befürchten, schreiben der Physik-Nobelpreisträger Georges Chapak und weitere Wissenschaftler in der Zeitung "Libération".
Explosion der Kosten
Experten wollen von 2020 an in dem Reaktor Energie aus der Verschmelzung von Wasserstoff-Atomen gewinnen und so die Funktionsweise der Sonne imitieren. Mit dem Bau der Anlage wurde im vergangenen Jahr im südfranzösischen Caradache begonnen.
"Zahlreiche Forschungsvorhaben, die ebenso wichtig sind, und die sich ebenfalls um die Energiesicherheit drehen, werden gefährdet", meinen die Wissenschaftler angesichts der hohen Kosten. Anstatt eine schlechte Entscheidung zu verschleiern sollte man lieber zugeben, dass das pharaonische Projekt die Erwartungen nicht erfüllen werde.
An dem in Frankreich im Bau befindlichen Fusionsreaktor sind neben der EU auch die USA, Russland, China, Japan, Indien und Südkorea beteiligt. Der EU-Anteil von ursprünglich 2,7 Milliarden Euro ist mittlerweile auf über sieben Milliarden Euro angestiegen.
Der Reaktor:
ITER - lateinisch für "der Weg" - steht für Internationaler Thermonuklearer Experimenteller Reaktor.
Das Prinzip von ITER
Der ITER soll in großem Maßstab zeigen, wie aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie erzeugt werden kann; herkömmliche Kernkraftwerke gewinnen Energie aus der Spaltung von Atomkernen. Herzstück des Fusionsreaktors soll eine ringförmige Vakuum-Röhre sein.
Um das Feuer der Kernfusion zu zünden, muss der Brennstoff - ein extrem dünnes Plasma aus den Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium - in Magnetfeldern eingeschlossen und auf Temperaturen von rund 100 Millionen Grad erhitzt werden. Deuterium kann aus Meerwasser gewonnen werden, Tritium durch die Bestrahlung von Lithium-Gas.
Lieber neue Atomkraftwerke bauen
Die Wissenschaftler bemängelten nun, dass drei große Schwierigkeiten erst noch überwunden werden müssten: das Plasma in einer Ummantelung zu halten, Tritium in großen Mengen herzustellen und Materialien zu erfinden, um das Plasma einzuschließen. Ab 2019 werde höchstens die erste dieser Schwierigkeiten erprobt werden; die dritte Schwierigkeit sei die "gefährlichste". Das Projekt sei daher weit von einem Prototyp für ein Kraftwerk entfernt.
Statt weiter hohe Beträge in das ITER-Projekt zu pumpen, solle die internationale Gemeinschaft und vor allem Europa vielmehr ein Kernkraftwerk der vierten Generation bauen, forderten die Forscher. Diese könnten Atomabfälle in Brennstoffe verwandeln und so eine "saubere Energie für mindestens 5000 Jahre" liefern.
science.ORF.at/dpa
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