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Lächelnde Frau

Der Wert des Glücks

Kann Geld Glück kaufen? Eine aktuelle Studie gibt eine differenzierte Antwort: Mehr Geld macht zwar nicht notwendigerweise glücklicher. Dennoch gilt der Satz: Armut steht dem Lebensglück im Wege.

Psychologie 07.09.2010

Ehe-Algebra

Studien:

Well-being over time in Britain and the USA, "Journal of Public Economics" (Bd. 88, S. 1359).

Das Verhältnis von Glück und Wohlstand mag auf den ersten Blick einfach scheinen, auf den zweiten indes entpuppt sich der Zusammenhang als durchaus verwickelt. Was bedeutet beispielsweise die Feststellung: "Eine stabile Ehe ist in etwa so viel Wert wie 100.000 Dollar pro Jahr"? Der Satz stammt aus der Studie "Well-being over time in Britain and the USA" der beiden Ökonomen David Blanchflower und Andrew Oswald - und ist bestens geeignet, beim Leser Missverständnisse zu erzeugen.

Denn die meisten interpretieren diese Feststellung so, als würde die Ehe so viel Freude bereiten, wie etwa ein plötzlicher Lottogewinn in dieser Höhe. Tatsächlich nimmt aber die Freude über einen Geldgewinn mit der Zeit ab. Sie geht zwar nicht gegen Null, wird jedoch mit der Zeit deutlich geringer. Und genau dieser langfristige Effekt war das Ziel von Blanchflowers und Oswalds Vergleich: Das Eheglück macht das Leben in Summe schöner - laut Statistik eben wie eine jährliche Überweisung von 100.000 Dollar.

Glück ist nicht gleich Glück

High income improves evaluation of life but not emotional well-being, "PNAS", Online-Publikation (doi: 10.1073/pnas.1011492107 PNAS).

Neben kurz- und langfristigen Effekten sollte man auch zwischen Gefühl und Verstand unterschieden, wie Nobelpreisträger Daniel Kahneman und sein Kollege Angus Deaton in einer aktuellen Studie hinweisen. Die beiden Forscher von der Princeton University haben rund 450.000 Interviews des Gallup-Healthways Well-Being Index analysiert - eine laufend aktualisierte Datenbank, die auf Umfragen des US-Meinungsforschungsinstituts Gallup basiert.

Sie legt nahe, dass Glück eben nicht gleich Glück ist. Soll heißen: Glück im Sinne des emotionalen Wohlgefühls (oder dessen Absenz) ist nicht in gleicher Weise vom Geld abhängig, wie die Beurteilung der eigenen Lebenssituation.

Die erste Glücksvariante wurde in der Erhebung mit Fragen der Art "Wann haben Sie das letzte Mal Freude, Trauer, Angst, Euphorie erlebt?" abgefragt, letztere mit Sätzen wie "Wie zufrieden sind Sie mit ihrem gegenwärtigen Leben? Ordnen Sie ihre Antwort auf einer Skala von Null bis zehn Punkten ein." In Bezug auf die Eigenbeurteilung besteht offenbar ein beständiger Zusammenhang zum Einkommen, wie Kahneman und Deaton in ihrer Arbeit schreiben. Je höher der Jahresverdienst, desto positiver ist der Blick auf die eigenen Existenz.

Abweichende Innenansichten

Was die gefühlte Innenwelt betrifft, ist die Sache hingegen ein wenig differenzierter. Gesundheit, Einsamkeit und Rauchen geben beispielsweise über die emotionale Verfassung eines Menschen besser Auskunft als es der Lohnzettel zu tun vermag. Wer arm ist, leidet der Analyse zufolge zwar eher unter Schicksalsschlägen wie etwa Krankheiten, Scheidungen.

Aber der Zusammenhang zwischen Gefühl und Geld besteht nicht durchgängig. Ab einem Jahreseinkommen von rund 75.000 Dollar (was etwas mehr ist als das US-Durchschnittseinkommen) verliert der emotionale Gegenwert des Geldes an Gewicht. Ab diesem Einkommensniveau spielt Geld zwar noch immer eine gewisse Rolle, es tritt jedoch im Vergleich zu anderen Glücksfaktoren in den Hintergrund. Gesundheit kann man bekanntlich nicht kaufen - diese Wahrheit lässt sich eben auch an der Statistik der Gallup-Umfrage ablesen.

Reichtum macht gefühlsarm

Money giveth, money taketh away: The dual effect of wealth on happiness, "Psycholgical Bulletin", Online-Publikation (doi: 10.1177/0956797610371963).

"Money giveth, money taketh away." So lautet der ungewöhnliche wie treffende Titel einer weiteren Studie zu diesem Thema. Sie bestätigt, dass Geld ab einem gewissen Wohlstandsniveau relativ wirkungslos wird - und weist überdies auf eine ambivalente Eigenschaft des Wohlstandes hin. Wer nicht arm ist, hat zweifelsohne weniger Sorgen im Alltag. Aber großer Wohlstand könnte auch zu einer gewissen Abstumpfung führen, wie belgische Psychologen im Mai dieses Jahres berichteten.

Denn Geld im Übermaß hemmt möglicherweise die Fähigkeit, sich an den kleinen Dingen des Alltags zu erfreuen. Und das ist kein geringer Verlust. So gesehen mag zwar finanzielle Unabhängigkeit erstrebenswert sein - nur sollte man die Grenze nicht übersehen, ab der sie in Reichtum übergeht.

Robert Czepel, science.ORF.at

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