Universelles Gefühlsleben
Studien zeigen, dass Emotionen inklusive ihrer Artikulation zu einem gewissen Grad universell sind. Der Ausdruck von Gefühlen ist zwar immer auch kulturell überformt bzw. wird von Normen und Werten reglementiert, aber grundsätzlich ist die den Grundgefühlen entsprechende Mimik überall ähnlich. Sie sollte also auch mehrheitlich erkannt werden: "Wenn jemand lächelt, ist er wahrscheinlich glücklich, wenn er weint, wohl eher traurig", so Akihiro Tanaka vom Waseda Institute for Advanced Studies.
Zur Studie in "Psychological Science":
"I Feel Your Voice. Cultural Differences in the Multisensory Perception of Emotion" von Akihiro Tanaka et al.
Dass dies in der Realität nicht immer ganz so eindeutig ist, hat vermutlich jeder schon mal selbst erlebt. Dass dabei auch kulturelle Wahrnehmungsunterschiede eine Rolle spielen, ist ebenfalls nicht überraschend. Bis jetzt wurden laut Tanaka diese Differenzen jedoch vor allem am Gesichtsausdruck festgemacht, weniger an anderen Signalen, wie etwa am Klang der Stimme.
Japaner achten auf den Klang
Wie Ausdruck und Tonfall zusammenspielen, haben die Forscher nun an einem konkreten Beispiel untersucht. Tanaka und seine Kollegen produzierten dafür Videos, in welchen Schauspieler einen neutralen Satz auf Japanisch bzw. Holländisch sprachen: "Ist das so?". Dieser sollte einmal eher glücklich, im anderen Fall zornig artikuliert werden. Die Aufzeichnungen wurden so nachbearbeitet, dass nun jene mit glücklichem Gesichtsausdruck zornig redeten und umgekehrt.
Freiwillige Versuchspersonen aus beiden Ländern betrachteten dann die Artefakte, jeweils in der eigenen und in der fremden Sprache, und sollten dann entscheiden, ob die Person aus dem Video eher zornig oder glücklich gewesen war. Dabei zeigten sich deutliche kulturelle Unterschiede. Die Japaner achteten viel mehr auf den Klang der Stimme und weniger auf den Gesichtsausdruck als die Holländer und umgekehrt. Selbst wenn die asiatischen Probanden explizit dazu aufgefordert wurden, den Tonfall zu ignorieren, blieb das akustische Signal für ihr Urteil entscheidend.
Den Forschern zufolge sind die Verknüpfung unterschiedlicher Sinnesreize sowie deren emotionale Bewertung offensichtlich stark kulturell geprägt.
Gefühle hinter Lächeln verstecken
Kulturell betrachtet macht das laut Tanaka durchaus Sinn, wenn man etwa vergleicht, wie unterschiedlich Japaner und Holländer generell kommunizieren. "Japaner neigen dazu ihre wahren Gefühle hinter einem Lächeln zu verbergen, die Stimme spricht eher die Wahrheit", so der Autor. Asiatischen Inselbewohner hätten daher gelernt, mehr auf den Tonfall zu achten.
Natürlich könne das in der Kommunikation zwischen Volksgruppen zu Missverständnissen führen: Trifft ein Holländer auf einen lächelnden Japaner, denkt er sich, alles ist in bester Ordnung, obwohl er in Wahrheit verärgert ist. - Verständnisschwierigkeiten wie diese sind wohl nicht nur im interkulturellen Kontext denkbar.
Eva Obermüller, science.ORF.at