Die beiden Physiker von der Universität Manchester werden für "grundlegende Experimente, die Graphen betreffen", geehrt, heißt es in der Urteilsbegründung. Der Kohlenstoff gilt als Hoffnungsträger in der Elektronik, wo er einmal Silizium ablösen könnte.
Dünnstes, steifstes und stärkstes Material
Die beiden Preisträger:

Körberstiftung, epa, Nobel.se
Andre Geim und Konstantin Nowoselow wurden beide in Russland geboren, wo sie auch ihre Karrieren als Physiker begannen. Nowoselow war bei Geim PhD-Student in den Niederlanden, gemeinsam gingen sie dann an die Universität Manchester.
Graphen hat gewissermaßen nur zwei Dimensionen, es ist nur eine Atomschicht dick. Das führt zu einer Reihe erstaunlicher Eigenschaften: Es gilt nicht nur als das dünnste, steifste und stärkste bekannte Material.
Graphen besitzt auch die höchste Wärmeleitfähigkeit, ist undurchlässig für Gase und es leitet elektrischen Strom bei Raumtemperatur besser als alle anderen Stoffe.
Auch die optischen Eigenschaften sind beeindruckend: Es absorbiert Licht mindestens zehn Mal stärker als die meisten anderen Stoffe und ist somit trotz seiner Dünne mit freiem Auge sichtbar.
Eine Reihe von Anwendungen
Die noch recht jungen Forscher - Andre Geim ist 52 Jahre alt, Konstantin Nowoselow 36 - haben gezeigt, dass "Kohlenstoff in einer derart flachen Form außergewöhnliche Eigenschaften hat, die aus der Welt der Quantenphysik stammen", heißt es in der Urteilsbegründung der Nobelpreis-Akademie. Und weiters: "Kohlenstoff, die Basis alles Lebens auf der Erde, hat uns einmal mehr überrascht".
Graphen - die Anordnung der Moleküle:

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Graphen (hier ein Fachartikel der Nobelpreisträger) lässt sich mit einem entrollten Maschendraht vergleichen: Die Knotenpunkte des Maschendrahtes entsprechen im Mikrokosmos der Position der Kohlenstoff-Atome. In diesem Vergleich nehmen die einzelnen Drähte die Bindungen zwischen den Atomen ein. Die Maschen sind allesamt sechseckig, gleich groß und exakt symmetrisch.
Eine ganze Reihe von Anwendungen, die auf Graphen beruhen, sei denkbar. Dazu zählen Transistoren, die schneller arbeiten als die aktuellen aus Silizium und somit zu effizienteren Computer führen könnten, transparente Touchscreens, Leuchtflächen, eventuell auch Solarzellen.
Wer es Kunststoffen zusetzt, lässt diese stabiler, robuster und leitfähiger werden. "Wir wissen noch nicht, wofür man Graphen wirklich anwenden kann. Aber ich hoffe, dass es genauso unser Leben verändern kann wie Plastik", sagte Geim.
Von Graphit mit Klebeband abgezogen
Als Material ist Graphen eigentlich ein alter Bekannter. So besteht Graphit, der Hauptbestandteil von Bleistiftminen, aus Graphenschichten. Eine Schicht von einem Millimeter Graphit besteht aus drei Millionen Graphen-Lagen.
Dabei setzt sich jede Kristall-Schicht aus Kohlenstoffatomen zusammen, die netzartig in sechseckigen Waben angeordnet sind. Allerdings haften die Schichten im Graphit nur schwach aneinander, beim Bleistift etwa trennen sich beim Schreiben unterschiedlich dicke Stapel und lagern sich auf dem Papier ab.
Die beiden Nobelpreisträger haben Graphen aus Graphit hergestellt, ähnlich wie er auch in Bleistiften verwendet wird. Mit herkömmlichem Klebeband konnten sie vom Graphit eine Schichte abziehen, die nur eine Atomlage stark war. Vor der Entdeckung waren viele der Meinung, dass es nicht möglich wäre, dass so dünne kristalline Materialien stabil sein können. 2004 veröffentlichten Geim und Nowoselow ihre Arbeit im Fachjournal "Science" (hier die Studie).
Ö1 Sendungshinweise:
Die Ö1 Journale und Ö1 Wissen aktuell berichten in der "Nobelpreiswoche" vom 4. bis 8.10. über alle Auszeichnungen.
Bereits mit dem "Antinobelpreis" ausgezeichnet
Andre Geim hatte bereits im Jahr 2000 zusammen mit dem Briten Michael Berry den Ig-Nobelpreis erhalten, mit dem skurrile Forschungen geehrt werden. Der Name ist ein Wortspiel mit dem englischen Ausdruck "ignoble" (schändlich, lächerlich).
Sie hatten damals einen lebenden Frosch in einem starken Magnetfeld schwerelos erscheinen lassen, wie Berry auf seiner Website nacherzählt
Forschung zu Graphen an der TU Wien:
Auch an der TU Wien wird an dem neuen Material geforscht. Thomas Müller vom Institut für Photonik ist es erstmals gelungen, einen auf Graphen basierenden Photodetektor herzustellen. Er hat dazu mehrere Studien in "Nature" veröffentlicht.
Mehr dazu in science.ORF.at
2009: Forschung zu Glasfasern und Bildsensoren
Der Physiknobelpreis ist auch heuer wieder mit zehn Millionen Kronen (1,085 Millionen Euro) dotiert und wird am 10. Dezember, am Todestag des 1896 gestorbenen Preisstifters Alfred Nobel, verliehen.
Im Vorjahr ging der Nobelpreis für Physik zur Hälfte an den chinesisch-britischen Forscher Charles K. Kao und zu je einem Viertel an die beiden US-Wissenschaftler Willard S. Boyle und George E. Smith.
Kao wurde für seine Leistungen im Bereich optische Kommunikation mit Lichtleitern geehrt, Boyle und Smith für die Entwicklung von CCD-Bildsensoren.
science.ORF.at/APA/dpa
Die Nobelpreise 2010:
Mehr zu den Physiknobelpreisen der vergangenen Jahre: