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Ein Paar, dass sich küsst

Liebe als Schmerzmittel

Frisch Verliebte sehen die Welt durch die sprichwörtliche rosarote Brille. Kein Wunder, denn der körperliche und emotionale Ausnahmezustand gleicht einem Drogenrausch. Forschern zufolge lindert dieser auch echte Schmerzen, und zwar ähnlich wie gängige Medikamente.

Gehirnstudie 14.10.2010

Liebe und Schmerzen

In der Phase frischer Verliebtheit spielt der Körper verrückt, es kommt zu messbaren hormonellen sowie neurologischen Veränderungen. "Wenn man an die Geliebte bzw. den Geliebten denkt, zeigt sich eine erhöhte Aktivität in den Belohnungszentren des Gehirns", so der Psychologe Arthur Aron von der State University of New York, Stony Brooks, der seit 30 Jahren zum Thema Liebe forscht. Dieselben Bereiche werden Aron zufolge aktiviert, wenn man etwa Kokain nimmt oder eine Menge Geld gewinnt.

Als der Wissenschaftler auf den Schmerzforscher Sean Mackey von der Stanford University of Medicine traf, stellten die beiden fest, dass sie zu denselben Gehirnregionen forschen, nur dass sich Mackey bisher mit Schmerz anstatt mit Liebe beschäftigt hatte. So entstand die Vermutung, dass es hier große Überlappungen bzw. sogar Beeinflussungen geben könnte.

Liebe und Ablenkung gegen Schmerz

Zur Studie im Open-Access-Journal "PLoS ONE": "Viewing Pictures of a Romantic Partner Reduces Experimental Pain: Involvement of Neural Reward Systems von Jarred Younger et al.

Eine experimentelle Studie sollte den Zusammenhang nun überprüfen. Dafür rekrutierten die Forscher 15 frisch verliebte Studenten, acht Frauen und sieben Männer - alle in der frühen, euphorischen Phase der Verliebtheit. Sie sollten ein Foto ihres Partners und das eines vergleichbar attraktiven Bekannten mitbringen. Diese Bilder wurden den Probanden dann abwechselnd gezeigt. Währenddessen verursachte ein Wärme produzierender Stimulator in ihren Händen einen leichten Schmerz. Mittels funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRI) wurden die Reaktionen im Gehirn aufgezeichnet.

In einem Vergleichstest wurde erhoben, ob Ablenkung denselben Effekt hat. Denn frühere Studien hatten gezeigt, dass diese auch Schmerzen lindern könne. Die Liebe könnte demnach einfach vom Schmerz ablenken. In diesem Versuch mussten die Teilnehmer eine Assoziationsaufgabe lösen, wie z.B. "Denk an einen Sport, der ohne Bälle auskommt".

Ablenkung wie Verliebtheit - beide reduzierten laut den Forschern tatsächlich den gefühlten Schmerz, aber nicht in gleicher Weise, wie die Gehirnbilder zeigten.

Verliebtheit auf Rezept?

"Bei der Ablenkungsaufgabe waren höhere Gehirnfunktionen involviert. Die Schmerzbetäubung mittels Liebe betraf jedoch vor allem die Belohnungszentren, also primitivere Gehirnteile", so Jarred Younger, einer der Autoren. Laut Schmerzforscher Mackey handelt es sich um sehr alte Regionen, die für die Ausschüttung von Dopamin zuständig sind - jenem Neurotransmitter, der unter anderem unsere Stimmung wesentlich beeinflusst. Genau dort würden auch gängige Schmerzmittel ansetzen.

"Eine der wichtigsten von der Liebe betroffenen Zentren ist der Nucleus accumbens, wo auch Opiate, Kokain oder andere Drogen ihre Wirkung entfalten", so Younger. Der hier wirksame Belohnungsmechanismus sei auch wesentlich bei der Suchtentwicklung.

Verliebtheit wäre also ein relativ nebenwirkungsfreies Mittel gegen Schmerzen, das sich allerdings schwer mittels Rezept verordnen lässt. Die Forscher hoffen allerdings, dass das nähere Verständnis der daran beteiligten neurologischen Abläufe zur Entwicklung neuer wirksamer Methoden gegen Schmerzen führen könnte.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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