Jüngst aufgetauchte und vom Historiker Thomas Riegler aufgearbeitete Dokumente zeigen jetzt, wie sehr der Bundeskanzler höchstpersönlich im Einsatz war, um den Nahost-Terror von Österreich fernzuhalten.
Österreich vermittelt im Nahen Osten
Bruno Kreisky (22.1.1911- 29.7.1990) war von 1970 bis 1983 Bundeskanzler von Österreich.

Foto Kern
Literaturhinweise:

University Press, Uni Wien
"Im Fadenkreuz: Österreich und der Nahostterrorismus" von Thomas Riegler, Vienna University Press - beschäftigt sich mit den Hintergründen und Abgründen von Nahostpolitik und Nahostterrors. Erhältlich im Buchhandel ab 8. Dezember.

Residenz Verlag
"Bruno Kreisky: die Biografie" von Wolfgang Petritsch, Residenz-Verlag. Wolfgang Petritsch war von 1977-1983 Sekretär von Bruno Kreisky und erlebte dessen Auseinandersetzungen mit den Problemen des Nahostfriedensprozesses hautnah.
Anfang der 1970er Jahre erschütterten Anschläge von palästinensischen Terroristen Europa. Der Konflikt im Nahen Osten war eskaliert, nachdem im Sechstagekrieg 1967 Israel die palästinensischen Gebiete im Westjordanland und im Gaza besetzte. Der ungelöste Konflikt zwischen Arabern und Israelis, seine Auswirkungen auf Europa und die allgegenwärtige Terrorgefahr aktivierten Bruno Kreisky.
Beauftragt von der Sozialistischen Internationale startete der Bundeskanzler 1974 seine Reisen in nahezu alle Länder des Nahen Ostens, um die Gesprächsbasis zu arabischen Staaten aufzubauen. Die Themen dieser Gespräche: Anerkennung Israels seitens der Araber und Palästinenser, Anerkennung der PLO als Verhandlungspartner, Schaffung eines Palästinenserstaats - und Maßnahmen gegen den Terror.
Im Fadenkreuz des Terrors
Der Historiker Thomas Riegler hat erstmals umfassend untersucht, wie weit das Engagement von Bruno Kreisky ging, um die Terrorgefahr für Österreich zu bannen: "Als Transitland für die jüdische Emigration aus dem Ostblock nach Israel, war Österreich von vornherein in den Nahostkonflikt involviert. Das hat sich 1973 ganz klar gezeigt, als Geiseln in einem Auswandererzug genommen wurden."
Um weitere Aktionen in Österreich zu verhindern, setzte sich Kreisky dafür ein, die 'Wurzeln' der Gewalt zu beseitigen - indem er die internationale Anerkennung der PLO vorantrieb, und geheime Gespräche zwischen Palästinensern und israelischen Friedensaktivisten förderte. Der PLO wurde auf diese Weise die Vorteile eines Strategiewechsel, weg vom 'bewaffneten' hin zum politischen Kampf, vermittelt.
Allerdings gab es auch negative Konsequenzen, so Riegler: "Österreich geriet ins Fadenkreuz jener Gruppen, die an keinem friedlichen Ausgleich interessiert waren. Hier ist vor allem Abu Nidal zu nennen, der von Staaten wie Syrien, Irak und Libyen unterstützt wurde. Seine Gruppe Al Assifa verübte in den 1980er Jahren zahlreiche Anschläge in Österreich: 1981 wurden in Wien der Stadtrat Heinz Nittel erschossen und die Synagoge angegriffen. Vier Jahre später kam es zum Terrorakt auf dem Flughafen Schwechat."
Film über den OPEC Überfall:
Bereits Mitte der 1970er Jahre war Österreich vom internationalen Terrorismus heimgesucht worden. Der eben bei der Viennale präsentierte Film "Carlos" beschäftigt sich u. a. mit der Geiselnahme bei der OPEC-Konferenz in Wien 1975. Kreisky wird in zwei kurzen Szenen von Udo Samel verkörpert. Nur angedeutet wird, dass der Bundeskanzler die Krise durch Verhandlungen löste. Historiker Thomas Riegler: "Regisseur Olivier Assayas ist zu Recht gelobt worden. Dass er ausgerechnet Saddam Hussein als Auftraggeber des Terrorakts präsentiert, ist jedoch umstritten. Ansonsten rekonstruiert der Film die Ereignisse in Wien in stimmiger Weise - sieht man von kleineren Details, wie dem Einsatz einer modernen Straßenbahngarnitur, ab."
"Ich würde auch mit dem Teufel reden"

PLO
Für seine Kritiker war es ein Skandal, für ihn selbst ein Grundprinzip seiner Politik: Bruno Kreisky war bereit mit jedem zu reden - um durch eine Gesprächsbasis eine Lösung von Konflikten zu erreichen.
Historiker Thomas Riegler: "Schon 1977 gab es ein geheimes Treffen in Wien, wo Kreisky mit Ali Hassan Salameh, dem berüchtigten 'Roten Prinzen' ein längeres Gespräch führte." Salameh galt als palästinensischer Top-Terrorist, wurde von den Israelis als Mitglied der Terror-Gruppe "Schwarzer September" gejagt, verantwortlich für die Geiselnahme und Ermordung von israelischen Sportlern in München 1972.
TV-Programmhinweis:
"Der Anschlag" in der ORF-Doku-Serie "Menschen & Mächte", 28.10., 21.00 ORF2
Ein weiterer diplomatischer Drahtseilakt: 1982 empfing Kreisky den libyschen Staatschef Gaddafi, der damals als der "gefährlichste Mann der Welt" galt. Diese Kontakte sollten international Vertrauen schaffen, aber auch die Sicherheit Österreichs fördern. Thomas Riegler: "Das ist Kreisky nur zum Teil gelungen, weil noch andere Faktoren ins Spiel kamen, die er nicht in der Hand hatte: Lokale Akteure standen seinem Engagement ablehnend gegenüber. Auch bestand im Kalten Krieg wenig Interesse an einer Änderung des Status quo im Nahen Osten."

Oliver Schopf
Abu Nidal: ein Phantom
Abu Nidal, der eigentlich Sabri al-Bana hieß, starb 2002 im Irak. Angeblich hatte er Selbstmord verübt. Lange vor Osama Bin Laden und dem Aufkommen des radikal-islamistischen Terrorismus galt Abu Nidal als der "Meister-Terrorist". Er blieb zeitlebens ein Mann "ohne Gesicht", ein Phantom.
Anschläge verübte er vor allem in Ländern, die der PLO freundlich gesinnt waren: Frankreich, Italien, Griechenland, Zypern und eben auch Österreich. Dem fanatischen Feind Israels ging es darum, den "Verräter" Arafat zu bekämpfen und "Einmischungen" mit Terror abzuschrecken. "Dabei wurde seine Gruppe einerseits von nahöstlichen Geheimdiensten unterstützt, andererseits handelte es sich auch um ein kriminelles Netzwerk, das von Stützpunkten in Osteuropa Waffenhandel betrieb", so Riegler.
Wettlauf mit der Zeit
Nur wenige Tage vor dem Anschlag in Schwechat am 27.12.1985, vor 25 Jahren sandte Alt-Bundeskanzler Kreisky einen Emissär zu Gaddafi. Offenbar gab es ernste Warnungen vor einem bevorstehenden Terrorakt Abu Nidals. Die Bitte an Gaddafi lautete, seinen Einfluss wahrzunehmen, damit die Gruppe von ihrem Vorhaben absehe.
Thomas Riegler dazu: "Gaddafi erklärte, er werde sich darum kümmern. Der Anschlag fand trotzdem statt. Der libysche Staatschef sandte anschließend seinen Adjutanten, um sich zu entschuldigen - man habe die Gruppe nicht mehr rechtzeitig erreichen können." Der gute Draht zu Gaddafi hatte den Anschlag also nicht verhindern können.
"Zieht man den Vergleich mit anderen Ländern heran", so Terror-Experte Riegler, "dann ist Österreich aber noch relativ glimpflich davongekommen."
Tom Matzek, Menschen&Mächte, ORF