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Eine grafische Darstellung des Doppelspalt-Experiments - hier mit drei statt zwei Spalten.

Härtetest für "spukhafte Fernwirkung"

Die sogenannte quantenmechanische Verschränkung und ihre merkwürdigen Effekte haben laut einem Team um die Wiener Physiker Anton Zeilinger und Rupert Ursin "ihren bisher strengsten Test bestanden".

Quantenphysik 02.11.2010

Der Teil und das Ganze

Die Studie

" Violation of local realism with freedom of choice" erscheint im Fachblatt "PNAS" (doi: 10.1073/pnas.1002780107).

Die quantenmechanische Verschränkung ist eine Konsequenz der Anfang des vorigen Jahrhunderts entwickelten Quantenmechanik. Die Theorie besagt, dass beispielsweise zwei verschränkte Lichtteilchen miteinander wie über einen unsichtbaren Faden verbunden bleiben, auch wenn sie sich über beliebige Distanzen voneinander entfernen.

Manipuliert man an einem dieser Teilchen, indem man beispielsweise die Polarisierung misst, passiert augenblicklich auch an dem anderen etwas. Selbst der große Physiker Albert Einstein konnte sich mit den Konsequenzen der Verschränkung nicht anfreunden und sprach von "spukhafter Fernwirkung".

Rückkehr zum Realismus?

Erst in den vergangenen Jahrzehnten gelang es Forschern wie Zeilinger, mit der Verschränkung auch experimentell zu arbeiten. Die sonderbaren Effekte konnten nach und nach in den Labors bestätigt werden. "Aber es blieb immer noch gewisse Lücke offen", so die Forscher.

So gebe es anhaltende Bemühungen, Versuchsergebnisse an verschränkten Teilchen nicht quantenphysikalisch, sondern innerhalb eines klassischen (Fachausdruck: lokal realistischen) Weltbildes zu beschreiben. Dann müsse man aber den Teilchen verborgene Eigenschaften zuschreiben und ferner die Hypothese aufstellen, dass es zwischen den am Experiment eingesetzten Apparaten, der Quelle der Teilchen und den Teilchen selbst eine verborgene Kommunikation gibt.

Quantenphysik auf den Kanaren

Ö1-Sendungshinweis

Physikalische Soiree, Jeden ersten Montag im Monat, 20:30 Uhr

Die Ö1-Kinderuni, Sonntag, 07. November 2010, 17:10 Uhr
Wann beamen wir uns hoch? Über Star Trek, den Weltraum und die Physik.

Im Jahr 2008 hat die Gruppe daher auf den Kanarischen Inseln La Palma und Teneriffa Versuche über weite Distanzen durchgeführt. Die Forscher erzeugten auf La Palma quantenmechanisch verschränkte Paare von Lichtquanten.

Von jedem Paar blieb ein Lichtquant in einer Glasfaser in La Palma, während das andere 144 Kilometer über den Atlantik nach Teneriffa geschickt und mit einem Teleskop der Europäischen Weltraumagentur ESA aufgefangen wurde. An beiden Orten wurden dann an den Teilchen Messungen durchgeführt, die erst im allerletzten Augenblick nach einem Zufallsprinzip festgelegt wurden.

"Weil keine Information schneller als die Lichtgeschwindigkeit übertragen werden kann, gab es keine Chance, dass eine Seite wissen konnte, was an der anderen gemessen wurde", argumentieren die Physiker. Ebenso sei sichergestellt worden, dass die Quelle bei der Aussendung der Teilchen nicht wissen konnte, was an diesen gemessen wird. Umgekehrt konnten die gewählten Messungen die Teilchen bei der Aussendung nicht beeinflussen.

Quanten- Kryptographie

Durch den Einsatz modernster Technologien wurde es somit laut den Experten möglich, jeglichen möglichen Informationsaustausch zwischen der Teilchenquelle und den Zufallsgeneratoren, die die Messgrößen auswählen, zu verhindern.

"Durch eine sorgsame räumliche Anordnung aller Apparaturen und präzise zeitliche Abfolge der Teilchenpaarerzeugung, der Wahl der Messgrößen sowie der Messungen selbst konnten erstmals jedwede verborgene Kommunikation ausgeschlossen und die damit verbundenen Schlupflöcher geschlossen werden", sagte Johannes Kofler, Mitautor der Studie.

Für Zeilinger hat die Verschränkung somit ihren bisher strengsten Test bestanden. Alle weiteren Experimente müssten nun auf den Ideen und Konzepten dieses Experiments aufbauen. Ergebnisse untermauerten nicht auch zuletzt auch die Sicherheit der Quantenkryptographie und ähnlicher Verschlüsselungsverfahren.

science.ORF.at/APA

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