Am besten funktioniert Spracherwerb immer noch durch den natürlichen Umgang mit Mutter und Vater, unterstreicht ein Team von Psychologinnen um Judy DeLoache von der University of Virginia.
Schon Kleinstkinder vor dem Bildschirm
Elektronische Lernhilfen für Kleinstkinder gibt es viele, seit eine Firma 1997 sogenannte "Baby Einstein Videos" auf den Markt gebracht und sich zuvor die Markenrechte auf den berühmten Physiker gesichert hatte.
Das gilt speziell für die USA, wo die Rate der Kleinkinder, die bereits mit wenigen Lebensmonaten vor den Fernseher gesetzt werden, besonders hoch ist. 40 Prozent der Dreimonatigen schauen laut einer Studie dort bereits regelmäßig fern, bei Zweijährigen sind es 90 Prozent. Fast die Hälfte aller Eltern glaubt zudem, dass ihre Kinder durch TV-Konsum profitieren könnten.
Besonders objektive und praxisnahe Studie
Die Studie:
"Do Babies Learn From Baby Media?" von Judy DeLoache et al ist in der Fachzeitschrift "Psychological Science" erschienen.
Wie dieses Profitieren etwa beim Spracherwerb aussieht, haben Psychologen bereits in der Vergangenheit mehrfach untersucht: Eine Studie zeigte, dass Kinder unter 22 Monaten nur sehr wenig neue Begriffe lernen, wenn sie entsprechende Teletubbies-Videos zu sehen bekamen.
Die meisten der bisher durchgeführten Untersuchungen beruhten auf Aussagen und Einschätzungen der Eltern. Für die nun publizierte Studie beanspruchen die Autorinnen einen besonders hohen Grad an Objektivität und Praxisnähe.
72 Kinder im Alter zwischen zwölf und 18 Monaten wurden in vier Gruppen eingeteilt: die erste bekam einen Monat lang mehrmals die Woche in Begleitung der Eltern zuhause Episoden einer populären Lern-DVD für Kleinkinder vorgespielt; die zweite musste sich die Videos alleine ansehen; die dritte sollte die auf der DVD vorkommenden neuen Wörter ausschließlich mit Hilfe der Eltern lernen; die vierte tat nichts dergleichen und diente als Kontrollgruppe.
Kein Lernfortschritt durch Filme
Vor und nach der einmonatigen Lernphase wurde das Wörterverständnis der Kinder überprüft. Die Resultate sind nach Angaben der Psychologinnen eindeutig: Die einzige Gruppe, die messbare Fortschritte gezeigt hat, war jene, bei der die Eltern mit ihren Kindern geübt hatten. Bei den Babys mit DVD-Konsum zeigte sich kein Unterschied gegenüber der Kontrollgruppe, gleichgültig ob die Eltern anwesend waren oder nicht.
Und das lag nicht daran, dass die Kinder dem Bildschirm keine Beachtung schenkten. Im Gegenteil: "Sie war heute wie an den Fernseher angeklebt" oder "Sie war heute sehr ruhig - sie hat nur den Bildschirm angestarrt und mich ignoriert, als ich sie bat, mit mir zu sprechen" sind einige der typischen Aussagen, die die Eltern in Tagebüchern schrieben, die die Tests begleiteten.
Mit Kindern sprechen hilft am meisten
Der Grund, warum die Kinder von den Videos nichts lernten, liegt laut der Studie viel eher daran, dass sie in ihrem sehr jungem Alter Schwierigkeiten mit Informationen haben, die über symbolische Medien vermittelt werden - seien es Bilder oder Videos. Diese symbolische Kompetenz, die das Verhältnis von echter Welt und Betrachten von Videos einschließt, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht entwickelt.
Die Psychologinnen um Judy DeLoache raten also nicht gerade zum Kauf von Lern-DVDs für Kleinkinder. "Wenn Sie ihnen welche zeigen wollen, ist das in Ordnung. Sie sollten nur nicht erwarten, dass ihr Kind viel davon lernt", sagt die Forscherin. "Die Kinder lernen sowieso zu sprechen."
Der beste Weg, ihnen dabei zu helfen, sei noch immer der natürliche: indem man mit ihnen spricht.
Lukas Wieselberg, science.ORF.at
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