Besonders für einige geisteswissenschaftliche Einrichtungen könnte dies das Ende bedeuten. Im kommenden Jahr soll es noch Übergangsbudgets geben, heuer noch Gespräche mit den Betroffenen geführt werden, heißt es aus dem Büro von Wissenschaftsministerin Beatrix Karl (ÖVP).
70 Einrichtungen, acht Millionen Euro
Unterschriften gegen "Kahlschlag"
Zahlreiche der von den Budgetstreichungen betroffenen Institutionen haben sich zu der
"Plattform Wissen/Schafft/Österreich" zusammengeschlossen. Darunter die Research Studios Austria Forschungsgesellschaft, das Österreichische Institut für internationale Politik, das Zentrum für soziale Innovation, das Institut für den Donauraum und Mitteleuropa und die Forschungs-und Beratungsstelle Arbeitswelt (Forba).
Auf der Homepage der Plattform kann gegen den "drohenden budgetären Kahlschlag der Wissenschaft in Österreich" unterschrieben werden.
Rund 70 Forschungseinrichtungen in Österreich sind von den Einsparungen betroffen: von eher kleineren wie der Wilfried-Haslauer-Bibliothek in Salzburg bis zu international renommierten Institutionen wie das Internationale Forschungszentrum Kulturwissenschaften in Wien und die Research Studios Austria Forschungsgesellschaft in Salzburg. Manche Einrichtungen wie das Bruno-Kreisky-Archiv in Wien stehen buchstäblich vor dem Zusperren.
Derzeit erhalten die Institutionen in Summe acht Millionen Euro als Basissubvention ihrer laufenden Budgets. 2011 soll es für Übergangslösungen noch die Hälfte des Betrags geben, so das Ministerbüro gegenüber science.ORF.at, ab 2012 überhaupt nichts mehr.
Es werde aber versucht, für alle relevanten Einrichtungen eine Lösung zu finden, die ihr Bestehen sichern soll. Die Lösungspalette reicht von Eingliederungen bzw. Wiedereingliederungen der Institutionen an Universitäten über Anbindungen an andere Einrichtungen wie die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) bis hin zu Clusterbildungen mehrerer Institute zu bestimmten Themen.
"Kernbereiche" der Forschung bleiben verschont
Ob alle der Einrichtungen in den Genuss der angestrebten Neulösungen kommen werden, scheint aber fraglich. In den nächsten Wochen sollen mit allen Betroffenen Gespräche geführt werden, so das Ministerium.
Hintergrund sind die geplanten Einsparungen im Wissenschaftsministerium, das laut APA seine Ausgaben bis 2014 um insgesamt 320 Millionen Euro reduzieren muss. Im Ministerium hatte man kürzlich betont, dass davon die "Kernbereiche" wie die Universitäten, Fachhochschulen, ÖAW, Wissenschaftsfonds FWF und die Ludwig Boltzmann-Gesellschaft (LBG) verschont bleiben.
Dagegen sollen u.a. Direktförderungen und Basisfinanzierungen von Vereinen, Einrichtungen, wissenschaftlichen Veranstaltungen etc. gestrichen bzw. reduziert werden.
Beispiel IFK - Fällt der Vorhang?
Ö1 Sendungshinweis:
Über die aktuellen Budgetpläne der Regierung berichten die Ö1 Journale sowie Saldo - Das Wirtschaftsmagazin am 29.10., 9:44 Uhr, Radio Österreich 1.
Was das konkret heißt, kann man anhand des Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) beschreiben. Knapp eine Million des jährlichen IFK-Budgets von 1,24 Millionen Euro stammt bisher vom Wissenschaftsministerium. Seit Donnerstag weiß IFK-Direktor Helmut Lethen, dass es dieses Geld ab nächstem Jahr nicht mehr geben wird. Der laufende Betrieb ist zwar bis Ende Juni 2011 gesichert, dann aber "fällt der Vorhang", wie Lethen gegenüber science.ORF.at erzählt.
Gefährdet ist dabei v.a. die Nachwuchsarbeit des IFK, jedes Jahr beherbergt das geisteswissenschaftliche Forschungszentrum rund 15 Junior Fellows, die samt finanzierter Auslandssemester in der Vergangenheit auch immer sehr gute Chancen am Arbeitsmarkt hatten, wie Lethen betont.
Wie die Vertreter anderer Institutionen hat er am Donnerstag vom Wissenschaftsministerium über die Budgetstreichungen erfahren. "Es wurde uns gesagt, dass alle gleich behandelt werden, gleichgültig, ob es sich um international erfolgreiche Einrichtungen handelt oder nicht", so Lethen, "das bedeutet einen Kahlschlag des Wissenschaftsstandorts".
Kreisky-Archiv vor dem Zusperren
Ebenso betroffen zeigt sich Maria Mesner, Historikerin und Leiterin des Bruno-Kreisky-Archivs in Wien. "Wenn das stimmt, was wir gestern gehört haben, müssen wir zusperren", sagt sie gegenüber science.ORF.at. Rund die Hälfte ihres Jahresbudgets von 200.000 Euro stammt vom Wissenschaftsministerium, "ohne diese Basissubvention können wir nicht überleben".
Das Kreisky-Archiv sichert und erfasst einerseits Quellen zur Tätigkeit des ehemaligen SPÖ-Bundeskanzlers und wickelt andererseits Projekte ab - im kommenden Jahr etwa eine Ausstellung zum 100. Jubiläum des Internationalen Frauentags am Wiener Volkskundemuseum.
Die einzige Stellungnahme eines Politikers stammt bisher von FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache. "Bundeskanzler Bruno Kreisky wird hier mit Füßen getreten und das Archiv, das mit rund 1,8 Millionen Seiten wohl zu einer der wichtigsten Institutionen der Vor- und Nachkriegszeit gehört, die wirtschaftliche Basis entzogen", heißt es in einer Aussendung der FPÖ.
Gespräche werden geführt
"Man kann nichts für falsche Freunde", antwortet nun die Archiv-Leiterin Maria Mesner. "Es ist aber schon bedauerlich, dass es soweit kommen musste, dass Strache so etwas verlautbaren kann."
Noch ist aber offensichtlich nicht aller Tage Abend. Das Wissenschaftsministerium will in den kommenden Tagen bzw. Wochen mit den betroffenen Institutionen Lösungen für die Zukunft finden. Ob sich die Budgetnöte verringern, wenn sie Universitäten oder der Akademie der Wissenschaften angegliedert werden, die ihrerseits von Einsparungen betroffen sind, darf bezweifelt werden.
Lukas Wieselberg, science.ORF.at
Mehr zu dem Thema: