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Universität Wien von außen

Kooperation oder Wettbewerb?

Spätestens seit den aktuellen Budgetkürzungen im Wissenschaftsministerium steht das Verhältnis von universitärer und außeruniversitärer Forschung in Diskussion. Für mehr Zusammenarbeit der beiden Bereiche plädiert Jürgen Mittelstraß, der Vorsitzende des Österreichischen Wissenschaftsrats, in einem Gastbeitrag.

Forschungspolitik 10.11.2010

Speziell in den Geistes- und Sozialwissenschaften empfiehlt er, Einrichtungen der außeruniversitären Forschung in die Universitäten zu integrieren - Argumente, auf die sich auch das Wissenschaftsministerium in der aktuellen Debatte um die Streichung der Basissubventionen für rund 70 außeruniversitäre Forschungseinrichtungen bezieht.

Universitäre und außeruniversitäre Forschung

Von Jürgen Mittelstraß

Der Autor:

Jürgen Mittelstraß, der Vorsitzende des Österreichischen Wissenschaftsrats

APA - Günter Artinger

Jürgen Mittelstraß ist Professor für Philosophie an der Universität Konstanz, Direktor des Konstanzer Wissenschaftsforums und Vorsitzender des Österreichischen Wissenschaftsrats.

Die Koexistenz universitärer und außeruniversitärer Forschung gehört heute zur Normalität eines Wissenschafts- und Forschungssystems, doch ist diese Koexistenz nicht problemfrei. In vielen Fällen bildet ihren Hintergrund ein Auswandern der Forschung aus der Universität in außeruniversitäre Einrichtungen und bedeutet daher auch eine Schwächung der universitären Forschung im Wettbewerb.

Universitäre und außeruniversitäre Forschung bilden auch in Österreich unterschiedliche Welten; verbunden sind sie teils durch Wettbewerb, teils durch Kooperation. Das ist auch andernorts so, etwa in Deutschland, wo sich die Universitätsforschung gegenüber der geballten Forschungskraft der Institute und Zentren der Max-Planck-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, der Leibniz-Gemeinschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft fast schon in die Rolle eines Juniorpartners gedrängt sieht.

Dies ist in Österreich gottlob nicht der Fall (hier sind die Größenordnungen andere), was aber nicht bedeutet, dass damit das Verhältnis beider Forschungswelten zueinander problemlos wäre.

Unis nach wie vor der Kern der Wissenschaft

Die Veranstaltung:

Tagung des Österreichischen Wissenschaftsrats: "Kooperation und/oder Wettbewerb? Zum Verhältnis von universitärer und außeruniversitärer Forschung", vom 12. - 13. November an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (Programm).

In welchen Fällen soll man kooperieren? In welchen Fällen in Wettbewerb treten? Diese Fragen sind so alt, wie es Forschung und Universitäten in dem uns vertrauten Sinne gibt, aber sie stellen sich angesichts des wachsenden Einflusses großer außeruniversitärer Forschungseinrichtungen - nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler, hier speziell europäischer Ebene - in verschärfter Form.

Das gilt insbesondere in Zeiten knapper Kassen. Hier droht die Universität als Forschungseinrichtung im Wettbewerb beider Forschungsformen auf mittlere Sicht auf die Verliererseite zu geraten.

Dabei bildet die Universität noch immer den Kern eines modernen Wissenschafts- und Forschungssystems. Schließlich ist es die Universität, die den wissenschaftlichen Nachwuchs für sich selbst und für die Forschung im Allgemeinen ausbildet und die für die wachsende Bedeutung der inter- und transdisziplinären Forschung den dafür optimalen Rahmen bildet.

Insofern müsste aber auch die außeruniversitäre Forschung am Wohlergehen der universitären Forschung, nicht zuletzt auch in finanziellen Dingen, interessiert sein. Das wiederum spricht in erster Linie für starke Kooperationen.

Wettbewerb ist kein Wert an sich

Ö1 Sendungshinweis

Mehr über die Budgeteinsparungen im außeruniversitären Forschungsbereich hören Sie in den Ö1 Journalen.

Der Österreichische Wissenschaftsrat empfiehlt hier nachdrücklich, strategisch aus der Sicht einer wünschenswerten wissenschaftlichen Gesamtentwicklung zu denken, und das heißt in diesem Falle auch, Kooperationen dort zu fördern, wo diese nicht nur der gemeinsamen Nutzung von Infrastruktur dienen, sondern auch der Schwerpunktsetzung und der Profilschärfung der Forschungs- und Bildungseinrichtungen.

Dies schließt auch die Fachhochschulen ein. Budgetknappheit sollte hier nicht dazu führen, die Forschungs- und Bildungseinrichtungen in ein falsch verstandenes Konkurrenzdenken zu stürzen - etwa nach der Maxime: Wettbewerb ist wichtiger als Kooperation.

Wettbewerb ist dort sinnvoll, wo er der langfristigen Qualitätssicherung und der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit im internationalen Kontext dient; ein Wert an sich ist er nicht.

Kooperation hilft im Wettbewerb

Vieles spricht daher auch für ein klar geregeltes Verhältnis zwischen universitärer und außeruniversitärer Forschung, das der Bedeutung der universitären Forschung forschungssystematisch und forschungspolitisch Rechnung trägt, sei es in Wettbewerbs-, sei es in Kooperationsform. Gerade Österreich als kleines, aber wissenschaftlich bedeutendes Land sollte hier in besonderer Weise vorbildhaft sein.

Vieles verdankt sich im Wissenschafts- und Universitätssystem auch hier einem mehr oder weniger ungeregelten, 'naturwüchsigen' Prozess. Der hat Vorteile - er bringt im glücklichen Falle die wissenschaftliche Dynamik unmittelbar zum Ausdruck -, ist in der Regel aber nicht die Antwort auf zukünftige Herausforderungen.

Schließlich sitzt der Wettbewerber auch in der Forschung in der Regel nicht auf der anderen Straßenseite, sondern, zumal in einer globalisierten Welt, ganz woanders. Kooperation ist hier in der Regel die richtige Antwort, um den Wettbewerb mit Dritten besser zu bestehen. Für Wettbewerb im Kleinen ist dann immer noch Platz, wenn es um die besten wissenschaftlichen Köpfe, die besten Studierenden und die besten Forschungs-, Lehr- und Lernverhältnisse geht.

Bau eines gemeinsamen Hauses

Das ist auch die vom Wissenschaftsrat in einer in diesem Jahr publizierten großen Empfehlung "Universität Österreich 2025" vertretene Position. Sie fordert eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Einrichtungen der universitären und der außeruniversitären Forschung.

Gedacht ist dabei etwa an gemeinsame Berufungen, an eine geordnete Beteiligung vor allem der Akademieforschung an der universitären Lehre, aber auch, speziell in den Geistes- und Sozialwissenschaften, an eine Integration von Einrichtungen der außeruniversitären Forschung in die Universitäten.

Diese empfiehlt sich dort, wo derartige Einrichtungen zu klein und zu schwach sind, sich in der Forschungswelt zu behaupten. Das Außeruniversitäre in der Forschung ist eben kein Selbstzweck, und Kooperation kann manchmal auch den Bau eines gemeinsamen Hauses bedeuten.

Mehr zu den aktuellen Budgeteinsparungen: