Mädchen halten sich für unbegabt
Frauen sind in naturwissenschaftlichen und technischen Fächern nach wie vor unterrepräsentiert. Laut den Forschern rund um Akira Miyake von der University of Colorado in Boulder erwerben in den USA Frauen nur ungefähr ein Viertel aller Doktorate in Physik, Mathematik und Informatik, dabei sind fast die Hälfte aller Beschäftigten weiblich. Auch hierzulande ist die Situation nicht besser: Obwohl Frauen generell bei den Studienabschlüssen aufholen, ist ihr Anteil in manchen naturwissenschaftlichen Fächern immer noch verschwindend.
Zur Studie in "Science":
"Reducing the Gender Achievement Gap in College Science: A Classroom Study of Values Affirmation" von Akira Miyake et al.
Dabei wird da wie dort immer wieder versucht, Mädchen und Frauen für die männlich dominierten Fachrichtungen zu begeistern - mit mäßigem Erfolg, denn häufig interessieren sich diese einfach weniger dafür oder sie denken selbst, dass sie in diesem Bereich prinzipiell weniger begabt sind.
Selbsteinschätzung drückt die Leistung
Sieht man sich lediglich die Schulnoten an, könnte dieser Eindruck den Forschern zufolge tatsächlich stimmen, denn die Mädchen schneiden dabei in der Regel schlechter ab. Dies lasse sich zumindest zum Teil durch die unterschiedliche fachspezifische Vorbereitung erklären, wie eine Untersuchung bei Physikstudenten ihrer eigenen Universität ergeben habe. Mit Hilfe spezieller didaktischer Methoden versucht man, dem Leistungsgefälle entgegenzuwirken.
Ö1-Sendungshinweis
Radiokolleg, 22.11. bis 25.11. jeweils um 9.05 Uhr (WH 22.15 Uhr): "Brennpunkt Universität. Kampf um Bildungsideale"
Laut den Wissenschaftlern wird dabei aber ein wesentlicher Aspekt vergessen: Die Unterschiede können auch soziale oder psychologische Ursachen haben. Z.B. könne die Identifikation mit einer Gruppe und deren negativen Stereotypen gute Leistung von vornherein unterminieren. Das heißt, wenn Mädchen selbst glauben, weniger mathematisch-naturwissenschaftlich begabt zu sein, wird sich das in Testsituationen nicht unbedingt günstig auswirken.
Psychologische Intervention
In der aktuellen Studie an Studierenden im ersten College-Jahr hat das Team nun untersucht, ob man dieser negativen Tendenz mit einer rein psychologischen Intervention entgegen wirken kann. Diese bestand in einer kurzen Schreibübung, die das eigene Selbstwertgefühl stärken soll. Diese simple Aufgabe hatte bereits in einer vorhergehenden Studie an afroamerikanischen Schulkindern große Wirkung gezeigt. Die Leistungsdifferenzen zu den weißen Mitschülern waren danach sogar langfristig geschrumpft.
Die Voraussetzung der neuen Untersuchung waren etwas anders: Alle Studenten mit naturwissenschaftlichem Hauptfach hatten einen ähnlichen sozialen Hintergrund und gute fachliche Vorkenntnisse. Die insgesamt 399 Teilnehmer, Männer und Frauen, wurden in zwei Gruppen geteilt.
Im Laufe eines 15-wöchigen Physikeinführungskurses musste eine davon eine motivierende 15-minütige Schreibübung durchführen, zu Beginn und nochmals in der vierten Woche. Dabei sollten sie über jene Dinge schreiben, die ihnen besonders wichtig sind, wie Freunde oder Familie. Im Gegensatz dazu mussten die Studenten der Kontrollgruppe über für sie persönlich weniger wichtige Dinge schreiben.
Selbstbewusstsein gegen Ängst
Ein anschließender Leistungsvergleich anhand der Prüfungsergebnisse zeigte, dass die Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Absolventen in der positiven Interventionsgruppe deutlich geringer waren als in Kontrollgruppe.
Zusätzlich hatten die Forscher zu Beginn erhoben, wie stark die Studentinnen selbst negativen weiblichen Stereotypen zustimmten. Laut den Forschern wirkte sich die Schreibübung auf die Leistung der stark identifizierten Teilnehmerinnen besonders günstig aus. Offensichtlich lindere die Stärkung des Selbstbewusstseins nachhaltig den Stress, der aus Angst vor einer Bestätigung negativer Vorurteile entsteht.
Eva Obermüller, science.ORF.at