Ein Team aus US-amerikanischen und kanadischen Forschern rund um Jennifer Bartz von der Mount Sinai School of Medicine in New York untersuchte die Wirkung von Oxytocin auf das Bild, das Männer von der Beziehung zu ihrer Mutter im Kindesalter haben.
Die Studie:
"Effects of oxytocin on recollections of maternal care and closeness" erscheint zwischen 29. November und 3. Dezember 2010 in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS).
Starke Gefühle
Oxytocin gilt als jenes Hormon, das beim Entstehen enger Bindungen zwischen Menschen, aber auch zwischen Tieren eine Schlüsselrolle spielt. Es wird beim Sex ebenso ausgeschüttet wie in Situationen, in denen auch ohne körperlichen Kontakt starke Emotionen eine Rolle spielen (etwa bei einer Hochzeit).
Auch beim Stillen durchflutet Oxytocin den Körper von Mutter und Kind - und bei anderen Formen der Berührung und Zuwendung natürlich auch jenen des Vaters, weshalb das "Liebeshormon" als grundlegend für den Aufbau der allerersten Beziehung, jener zu den Eltern, gilt.
Erinnerungen an Mütter
Jennifer Bartz und ihre Kollegen nahmen nun die bereits bekannten Fakten zu Oxytocin zum Ausgangspunkt, um die Wirkung des Hormons im Unterschied zu bisherigen Studien nicht auf aktuelle Situationen, sondern bereits verarbeitete Emotionen zu untersuchen. Konkret wählten sie die Erinnerungen, die Männer von ihrer kindlichen Beziehung zu ihren Müttern hatten.
Neid und Häme verstärkt
Schon in der Vergangenheit gab es Hinweise, dass Oxytocin nicht immer so positiv wirkt, wie es seine Spitznamen vermuten lassen würden. Im November 2009 wurde eine Studie veröffentlicht, die belegte, dass das "Bindungshormon" auch negative Gefühle - in dem Fall konkret Neid und Häme - verstärken kann.
24 Männer nahmen am Test teil. Ein Teil bekam mit einem Nasenspray Oxytocin verabreicht, der andere Teil ein Placebo. Die Erinnerungen an die kindliche Beziehung zur Mutter wurden sowohl vor als auch nach Verabreichung des Nasensprays aufgezeichnet. Und es zeigte sich, dass das Hormon in positiver und negativer Hinsicht wirkt: Fühlte sich ein Mann von seiner Mutter in der Kindheit gut versorgt und geliebt, wurde dieser Eindruck durch Oxytocin noch lebhafter. Empfand er die Mutter hingegen als unzuverlässig und das zwischenmenschliche Verhältnis als wenig liebevoll, wurde das Bild unter Hormoneinfluss noch negativer.
Doppelgesichtiges "Liebeshormon"
Interessant ist auch, dass Oxytocin andere gefühlsbetonte Einschätzungen nicht beeinflusste: "Weder die Einschätzung hinsichtlich Selbstbewusstsein noch die Gefühle zu aktuellen Beziehungen bzw. Partnerinnen haben sich durch die Hormongabe verändert", schreiben die Forscher und betonen damit, dass das Verhalten in Beziehungen nicht primär durch die Mutter, sondern durch zahlreiche Erfahrungen das ganze Leben lang geprägt wird.
Ö1 Sendungshinweis:
Mehr über kindliche Autonomie und Bindungsfähigkeit hören Sie im Ö1 Radiokolleg "Frei und doch gebunden" zwischen 29. November und 2. Dezember 2010 täglich um 9.05 Uhr.
Zwar sind die Forscher bei der Interpretation ihrer Studie vorsichtig und betonen, dass man als nächsten Schritt auch bei Frauen untersuchen müsste, wie sie sich unter Oxytocin-Einfluss erinnern. Für wichtig halten sie aber, dass das "Liebeshormon" nicht nur positive Emotionen hervorruft und deshalb nicht als "Bindungswunderwaffe" eingesetzt werden dürfe - etwa bei Autismus, was schon erprobt wurde.
Elke Ziegler, science.ORF.at
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