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Die Sonne und der Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter.

Signale aus der Zeit vor dem Urknall

Der britische Mathematiker und Kosmologe Roger Penrose behauptet: Der Urknall war nicht der Anfang aller Dinge. Er hat in der kosmischen Hintergrundstrahlung Signale entdeckt, die vor dem Urknall entstanden sein könnten.

Kosmologie 29.11.2010

Punkt Alpha

Kosmologen zufolge verhält sich das Universum wie ein Luftballon, der gerade aufgeblasen wird. Der Raum dehnt sich aus, die Galaxien bewegen sich voneinander fort - umso schneller, je weiter sie voneinander entfernt sind. Lässt man die Zeit rückwärts laufen, bedeutet das allerdings: Früher muss das Universum deutlich kleiner gewesen sein.

Die Mehrzahl der Astrophysiker geht davon aus, dass der Urknall aus einem punktförmigen Zustand unendlicher Dichte hervorgegangen ist und die Geburtsstunde von Zeit und Raum war. Quasi der Startschuss für die bis heute anhaltende kosmische Expansion.

"Durch" den Urknall blicken

Die Studie

"Concentric circles in WMAP data may provide evidence of violent pre-Big-Bang activity" wurde auf dem Preprintserver "arXiv" veröffentlicht.

Eine Ansicht, der der prominente Oxforder Autor, Physiker und Mathematiker Roger Penrose wenig abgewinnen kann. Er glaubt, dass das Universum keinen definitiven Anfang hatte. Der Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren war demnach lediglich eine Übergangsphase zwischen zwei kosmischen Zeitaltern. Raum und Zeit hat es, so Penrose, auch davor schon gegeben, und "urgeknallt" hat es auch schon einige Male - vielleicht sogar unendlich oft.

Bislang war seine Theorie namens "conformal cyclic cosmology" durchaus umstritten, doch nun hat Penrose mit seinem armenischen Kollegen Vahe Gurzadyan Daten vorgelegt, die der Theorie Aufwind verleihen könnten. Gurzadyan hat in siebenjähriger Arbeit die kosmische Hintergrundstrahlung nach Hinweisen auf Signale aus der Prä-Urknall-Ära durchforstet und wurde in der Datensammlung der WMAP-Mission der NASA fündig.

Die Mikrowellenstrahlung ist eine Art thermisches Hintergrundrauschen im Weltall und gilt allgemein als Echo des Urknalls. Gurzadyan ist im kosmischen Strahlungshintergrund auf konzentrische Ringe gestoßen, in denen die Temperatur deutlich weniger schwankt als in den umliegenden Regionen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich so ein Ring zufällig bilde, rechnen die beiden Forscher vor, stehe bei eins zu zehn Millionen. Bei mehreren konzentrisch angeordneten Ringen sei sie noch bedeutend geringer. Also wenn kein Zufall, was dann?

Anhand der Ringe könne man quasi "durch" den Urknall blicken, schreiben Penrose und Gurzadyan. Sie seien Überreste von Gravitationswellen, die beim Zusammenstoß supermassiver Schwarzer Löcher entstanden sind - wohlgemerkt im letzten kosmischen Zeitalter, vor dem Urknall also.

Zyklisches Universum

Penroses Konzept ist auch ein Angriff auf die sogenannte Inflationstheorie des US-Physikers Alan Guth. Sie besagt, dass sich das Universum Sekundenbruchteile nach dem Urknall mit unbeschreiblicher Rasanz ausgedehnt hat. Ein Prozess, der mit Überlichtgeschwindigkeit vor sich gegangen sein muss, mit Einstein'schen Relativitätstheorie jedoch vereinbar bleibt, weil es sich dabei um keine Bewegung im Raum, sondern um eine Aufblähung des Raumes handelt.

"Ich war nie ein Anhänger dieser Theorie", sagte Penrose kürzlich gegenüber der BBC. "Wenn man die Inflation ablehnt, muss man natürlich eine Alternative anbieten: In meinem Schema hat sich das Universum ebenfalls exponentiell ausgedehnt, allerdings schon vor dem letzten Urknall."

Reaktionen: Verhaltene Zustimmung

Penrose zufolge kann die Inflationstheorie die konzentrischen Temperaturringe im kosmischen Strahlungshintergrund nicht erklären, seine hingegen schon. Und dass es sich bei den Ringen um einen Instrumenteneffekt der WMAP-Raumsonde handle, sei unwahrscheinlich, da auch auf einem Ballon in der Antarktis durchgeführte Messungen zu dem gleichen Ergebnis geführt hätten.

Nun sind die Kollegen am Zug. Der Physiker Julian Barbour, zurzeit Gastprofessor in Oxford, hält die Existenz der Ringe für "bemerkenswert" bis "sensationell" - je nachdem, ob Penroses Theorie nun das Exklusivrecht für mögliche Erklärungen besitze oder nicht.

Sein Fachkollege Shaun Cole von der University of Durham sieht ebenfalls einen "revolutionären" Gedanken, stellt aber die Frage: "Es müssen auch viele andere Dinge gegen Ende des letzten kosmischen Zeitalters passiert sein. Warum haben sie keine Spuren hinterlassen?"

Von ausstehenden experimentellen Bestätigungen abgesehen könnten auch noch einige Bizarrheiten im zyklischen Universum à la Penrose den Weg zur allgemeinen Akzeptanz verstellen. Penrose muss nämlich im Rahmen seiner Theorie annehmen, dass alle Teilchen in ferner Zukunft ihre Masse verlieren. Dafür gebe es keinerlei Anzeichen, sagt Barbour.

Robert Czepel, science.ORF.at

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