"Politik ist ein männlich strukturiertes Feld, in das Frauen erst seit einigen Jahrzehnten eingetreten sind", sagt die Soziologin Eva Flicker von der Universität Wien. Und das macht sich auch bei der Frage nach der Bekleidung bemerkbar.
Für Männer hat sich ab dem 19. Jahrhundert der bürgerliche Herrenanzug durchgesetzt: dunkler Anzug, weißes Hemd plus Krawatte. "Er ist der Standard-Dresscode, der für Seriosität, Kompetenz und Vertrauen steht. Für Frauen gibt es kein äquivalentes Kleidungsstück", so die Sozialforscherin anlässlich eines Symposions an der Uni Wien.
Das Symposion
"Fashionable Queens" findet vom 3. bis 4. Dezember an der Universität Wien statt.
Symbolische Repräsentation von Macht und Kompetenz
Röcke symbolisieren zwar Weiblichkeit, aber schon bei der schwierigen Frage nach der richtigen Länge befindet man sich mitten in der Diskussion um sexuelle Attraktivität. "Frauen haben in der Mode einen großen Spielraum. Wenn es aber um die symbolische Repräsentation von Macht, Seriosität und Kompetenz geht, ist ihr Spielraum sehr gering."
Ganz besonders treffe dies auf eine Gesellschaft zu, die wie die unsrige auf Bilder besonderen Wert legt. Ein Beispiel betrifft die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, eine der wenigen weiblichen Staatschefs der Welt, die prinzipiell eine Strategie gewählt hat, "sich nicht als weiblich zu inszenieren", wie Flicker meint.
Als sie vor zwei Jahren bei einem Opernbesuch in Oslo ein tief dekolletiertes Kleid trug, brachte ihr das ein reges Interesse der Medien. "Und zahlreiche dumme Kommentare", so Flicker.
Visuelle Inszenierung - Beispiel Merkel
Ob sich Körpereinsatz und Kleidungswahl direkt in die Gunst der Wählerschaft übersetzen lässt? "Monokausale Zusammenhänge gibt es natürlich nicht", sagt Flicker. "In der Politik geht es aber auch um visuelle Inszenierung, die dazu beiträgt, wie man wahrgenommen wird. Und dabei wird Frauen mit 'falschem Erscheinungsbild' oft die sachliche Fachkompetenz abgesprochen." Bei Merkel sei dies nicht der Fall gewesen, sie wurde nach der Opernepisode laut Studien "sympathischer" wahrgenommen also zuvor.
Dass es Frauen in der Politik nicht leicht haben, die traditionellen Schönheitsidealen entsprechen, zeigt das Beispiel Italien. Der Berlusconi-Regierung wurde von der Opposition vorgeworfen, die Ministerinnen wegen ihrer optischen, und nicht wegen fachlicher Vorzüge ausgesucht zu haben. "Sobald eine Frau gut aussieht, wird ihr unterstellt, dass sie ihre Position nur deshalb erlangt hat", sagt Eva Flicker. "Bei Männern - denken Sie an Karlheinz Grasser - wäre das nie der Fall".
Lukas Wieselberg, science.ORF.at
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