Standort: science.ORF.at / Meldung: "Ozeane im Klimawandel "

Korallen am Great Barrier Reef

Ozeane im Klimawandel

Sie bedecken mehr als zwei Drittel der Erde, trotzdem gelten die Ozeane immer noch als eine der Unbekannten in unserem Klimasystem. Vor allem über die Vorgänge in der Tiefsee wissen die Forscher nach wie vor sehr wenig. Sicher ist mittlerweile, dass die Ozeane eine zentrale Rolle beim Abbau des Treibhausgases Kohlendioxid einnehmen.

Hintergrund 09.12.2010

Etwa die Hälfte des CO2, das der Mensch bisher erzeugte, wurde von den Ozeanen aufgenommen - das ist deutlich mehr, als zum Beispiel die Wälder gespeichert haben.

Mehr CO2, saureres Wasser

Wie aber kommt das Gas in den Ozean? Einerseits geschieht das durch das Phytoplankton, mikroskopisch kleine Algen, die Photosynthese betreiben und dabei CO2 aufnehmen. Andererseits löst sich Kohlendioxid an der Ozeanoberfläche, die Meeresströmungen bringen es in die Tiefsee. Der Kohlenstoff kann dort für Jahre bis Jahrhunderte gespeichert bleiben.

Der Klimawandel hat vielfältige Auswirkungen auf die Ozeane. Für die Pflanzen- und Tierwelt sind vor allem zwei Prozesse von Bedeutung. Durch die steigenden Temperaturen in der Atmosphäre steigen auch die Meerestemperaturen - in den letzten Jahrzehnten um einige zehntel Grad. Die erhöhte CO2-Konzentration ändert auch die chemischen Eigenschaften der Meere - sie werden saurer.

Schlecht für Schalenbildung und Leistungsfähigkeit

Ö1-Sendungshinweis:

Dem Thema widmete sich auch das Ö1-Mittagsjournal am 9.12.

Der Biologe Hans Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung im deutschen Bremerhaven beobachtet die Auswirkungen auf das Ökosystem Ozean - Auswirkungen, die sich heute schon zeigen.

"Zum einen wird es für Kalkbildner wie Muscheln schwerer, Kalziumkarbonat für ihre Schalenbildung anzureichern und einzulagern. Manche Organismen reagieren da besonders empfindlich. Sie sind nicht in der Lage, den CO2-Anstieg im Meerwasser über eine körpereigene Säure-Basen-Regulation auszugleichen", so Pörtner.

"Hierbei gibt es große Unterschiede zwischen den Organismen: Bei den niederen Tieren ist die Fähigkeit geringer als bei den Fischen. Zum anderen kann die Versauerung die Stoffwechselrate von Körpergeweben beeinflussen, was dann die Leistungsfähigkeit der Tiere spürbar einschränken kann."

Korallen besonders betroffen

Besonders betroffen sind laut Pörtner Korallen, in einigen Gebieten habe die Bedeckung mit lebenden Korallen schon deutlich abgenommen. "Kommt dann noch die Versauerung hinzu und damit die Verlangsamung der Kalkbildung, kann die Leistungsfähigkeit der Organismen nicht mehr ausreichen, um natürliche Prozesse wie die Erosion, wie sie in Korallenriffen stattfindet, auszugleichen", so der Biologe.

"Hier wird dann ein ganzes Ökosystem an den Rand seiner Existenzgrundlage gebracht. Und bedenkt man, dass rund 25 Prozent aller Fischarten auf diesem Planeten in Ökosystemen leben, die durch Korallen gebildet werden, wäre das schon ein hoher Verlust an Biodiversität."

Fische ändern ihr Revier

Prominente Beispiele gibt es aber auch bei den Fischen: Das Hauptverbreitungsgebiet des Kabeljaus - einer der beliebtesten Speisefische - lag in der südlichen Nordsee, in den vergangenen Jahren wanderte es aber immer weiter nach Norden. Gleichzeitig finden sich in der Nordsee mittlerweile Fische, die bis vor kurzem nur im Mittelmeer heimisch waren.

Der Klimawandel hat also bereits konkrete Auswirkungen auf die Fischereiindustrie - und auch andere Wirtschaftszweige zeigen sich mittlerweile sehr interessiert an der Veränderung der Ozeane. Im Blickpunkt steht vor allem das arktische Meer - die Eisbedeckung geht hier seit den 80er Jahren markant zurück.

Davon profitieren könnten Schifffahrtsunternehmen, manche Reederein denken bereits über einen Linienverkehr über die Nordwest- und Nordostpassage nach. Damit ließen sich manche Verbindungen zwischen Europa und Asien deutlich verkürzen.

Arktis schmilzt

Rüdiger Gerdes, Meereisphysiker am Alfred-Wegener-Institut, sagte über die Veränderungen in der Arktis: "Seit 1978 messen wir die Eisausdehnung kontinuierlich mit Satelliten. Diese Messungen zeigen einen ausgeprägten Negativtrend. In Zahlen: Pro Jahrzehnt hat die Eisbedeckung der Arktis im September um durchschnittlich elf Prozent abgenommen. Allerdings schrumpft die Eisfläche nicht kontinuierlich, sondern kann von Jahr zu Jahr erheblich schwanken."

"So erreichte die Eisbedeckung im Sommer 1996 einen Rekordwert, gemessen an sämtlichen Sommern der letzten drei Jahrzehnte. Den bisherigen Minusrekord verzeichneten wir im Sommer 2007. Bemerkenswert ist, dass sich die sommerliche Eisausdehnung seitdem kaum erholt hat - auch 2008 und 2009 ist sie auf niedrigem Niveau geblieben. Langfristig gesehen steht fest: Die Eisbedeckung in der Arktis nimmt ab."

Viele Steine im Klimapuzzle

Das Schrumpfen der Eismasse in der Arktis und die Veränderungen der Meeresbiologie sind zwei Auswirkungen des Klimawandels, die wir heute schon merken. Aber es gibt noch wichtige ungelöste Fragen: Wie werden sich zum Beispiel die Meeresströmungen verändern, etwa der Golfstrom? Und wie wird dann die Atmosphäre und damit unser Klima- und Wettergeschehen auf die veränderten Ozeane reagieren?

Die Prozesse und Wechselwirkungen zwischen den Ozeanen und der Atmosphäre sind jedenfalls so komplex, dass wir in den nächsten Jahren wohl nicht Antworten auf all diese Fragen bekommen werden. Vielmehr werden die Forscher - wie auch bisher - im großen Klimapuzzle einen kleinen Stein nach dem anderen einfügen.

Daniel Zeinlinger, Ö1-Wetterredaktion

Mehr zum Thema: