Forschung in der Eso-Ecke
Biophotonen haben in der Scientific Community in etwa das gleiche Standing wie der Song "Last Christmas" unter den Freunden gepflegter Popmusik. Sie lassen nur zwei Positionen zu: entweder vehemente Gegnerschaft oder erklärte Befürwortung - tertium non datur. Biophotonen sind mit dem freien Auge nicht sichtbare Lichtteilchen in lebenden Zellen, mit empfindlichen Messgeräten wurden sie aber schon mehrfach nachgewiesen.
Dass es solche ultraschwache Lichtstrahlen in diversen Organen von Pflanzen und Tieren gibt, wird kaum mehr bezweifelt. An der Interpretation dieses Umstandes scheiden sich allerdings die Geister: Die meisten Forscher halten das schwache Glimmen der Zellen nämlich für ein Epiphänomen, ein zufälliges Nebenprodukt der Chemie ohne weitere Bedeutung.
Jene, die Gegenteiliges behaupteten und den Lichtquanten im Gewebe eine biologische Funktion zuschrieben, wurden in den 80ern und 90ern durch die Übermacht der Kritiker schnell ins Esoterik-Eck gedrängt. Wer heute dennoch Biophotonen-Forschung betreibt, muss wissen: Der wissenschaftlichen Reputation wird sie eher nicht nützen.
Signale-Netzwerk: Mikrotubuli
Die Studie
"Emission of Biophotons and Neural Activity of the Brain" wurde auf dem Preprintserver "arXiv" veröffentlicht und soll in der Fachzeitschrift "Biosystems" erscheinen.
Dem an der Université Pierre et Marie Curie forschenden Physiker Vahid Salari ist das offenbar egal. Er hat soeben mit fünf Kollegen eine ziemlich abgedrehte Studie zu diesem Thema vorgelegt, die Biophotonen quasi als Schrittmacher des Denkens betrachtet. Salari beruft sich auf Studien, die von Biophotonen in Rattengehirnen berichten - sowie auf eine, die gar nachgewiesen haben will, dass Neuronen des Rückenmarks als schwache Lichtleiter fungieren.
Diese Ergebnisse fügt er zu einer Theorie zusammen, in der die sogenannten Mikrotubuli eine zentrale Rolle spielen. Mikrotubuli sind Bauteile des Zellskeletts und nebst anderem auch an der Zellteilung beteiligt. Salari zufolge sind sie aber auch Teil eines gigantischen Kommunikationsnetzwerkes im Gehirn, durch das die Nervenzellen via Licht miteinander kommunizieren.
Die Mikrotubuli sind demnach so etwas wie Glasfaserkabel des Nervensystems, in dem rasende Biophotonen eine ähnliche Rolle spielen wie die elektrischen und chemischen Signale der Nervenzellen.
Gegen den Strom denken
Ö1 Sendungshinweis:
"Was ist Leben? Wie das Buch eines Physikers die Biologie revolutionierte", anlässlich des 50. Todestags von Erwin Schrödinger: Ö1 Dimensionen, 3.1.11, 19:06 Uhr.
Damit könne man etwa erklären, schreibt Salari, warum weit entfernte Gehirnteile synchron agieren, obwohl die Geschwindigkeit der neuronalen Reizleitung dafür eigentlich zu niedrig ist. Das ist allerdings nicht die einzige Erklärung für diesen Umstand, denn für Synchronizität braucht es streng genommen kein übergeordnetes Steuerungssignal - das können Nervennetze auch autonom erledigen, nämlich durch Selbstorganisation. Was der iranische Physiker nun vorgelegt hat, ist zweifelsohne unterhaltsam - und natürlich Spekulation zum Quadrat.
Er ist allerdings nicht der erste, der so etwas vermutet. Der britische Physiker und Mathematiker Roger Penrose hat bereits vor Jahren vorgeschlagen, die Mikrotubuli im Gehirn könnten Bauteile eines neuronalen Quantencomputers sein, aus dem Bewusstsein entsteht. Dieser Ausritt in die Physik des Geistes brachte Penrose viel Aufmerksamkeit und ebenso viel fachliche Kritik ein.
Doch nachdem er im Lauf seiner Karriere äußerst wichtige Beiträge im mathematisch-physikalischen Fach geleistet hat und zu den Wissenschafts-Popstars dieses Planeten zählt, hat ihm das nicht wirklich geschadet. Eher im Gegenteil: Er gilt nun als einer der Querköpfe der Wissenschaft, die sich trauen, schräge Ideen und wilde Hypothesen aufs Forschungstapet zu bringen. Salari ist jedoch kein Penrose. Er wird für seine Theorie handfestere Belege brauchen.
Robert Czepel, science.ORF.at
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