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Der Krebsnebel, eine Supernova-Explosionswolke im Sternbild Stier

Krebsnebel gibt Rätsel auf

Die Strahlung des Krebsnebels, eine Supernova-Explosionswolke im Sternbild Stier, galt bisher als extrem konstant. Deshalb wurde die Strahlung anderer astronomischer Quellen bisher damit verglichen. Es gibt sogar eine danach benannte Einheit ("Crab"). Doch nun stellen ungeklärte, extrem starke Gammastrahlen-Ausbrüche die Wissenschaftler vor Rätsel.

Astrophysik 07.01.2011

Krebsnebel als Standardkerze

Der Krebsnebel ist ein Überbleibsel einer Sternenexplosion, die vor 957 Jahren das erste Mal von der Erde aus gesichtet wurde und etwa 6.500 Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Stier stattgefunden hat. Im Zentrum des Nebels befinden sich die Reste des einst massereichen Sterns, ein rotierender Neutronenstern, der mehr oder weniger rasch pulsierende, hochenergetische Strahlung aussendet und deshalb "Pulsar" genannt wird. Die Strahlung des Krebsnebels war über das gesamte elektromagnetische Spektrum (von der Radio- bis zur Gammastrahlung) so unveränderlich, dass sie als Standard galt und andere astronomische Quellen daran gemessen wurden.

Ö1 Sendungshinweise:

Über den Krebsnebel berichtet "Wissen aktuell" am 7.1., um 13:55

"Zumindest im Bereich der Gammastrahlung muss die nützliche Eigenschaft des Krebsnebels als Standardkerze nun revidiert werden", erklärte Reimer im Gespräch mit der APA. Denn im September vergangenen Jahres haben das AGILE Teleskop der Italienischer Raumfahrtagentur und das Fermi Gammastrahlen-Weltraumteleskop der NASA dramatische Intensitätsveränderungen in der Gammastrahlung des Krebsnebels beobachtet. Fermi hat ein solches Aufleuchten bereits im Februar 2009 registriert.

Höchstenergetisch geladene Teilchen

Der Krebsnebel und der AGILE Satellit

ASI, INAF, NASA

Die Gammastrahlung der Ausbrüche gründet sich auf Energieverluste von Teilchen (Elektronen und Positronen), die aus der Umgebung des Pulsars stammen. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass bei den Ausbrüchen die Elektronen und Positronen bei den typischen Magnetfeldstärken im Krebsnebel mindestens auf eine Energie von Peta-Elektronenvolt beschleunigt worden sein müssen. Das ist ein neuer Rekord, es sind damit die höchstenergetischen geladenen Teilchen, die mit einem bekannten astronomischen Objekt in Beziehung gebracht werden können. Laut Reimer ist nur die kosmische Teilchenstrahlung energiereicher, allerdings könne diese noch nicht einer möglichen Quelle zugeordnet werden.

Die Gammastrahlen-Ausbrüche bescheren den Astrophysikern einiges Kopfzerbrechen, schließlich wissen "wir nicht, wie genau sich das abspielt und in welchen Zeiträumen sich das Phänomen wiederholt", so Reimer. Klar sei nur, dass die Energie aus einem verhältnismäßig kleinen Gebiet im Krebsnebel stammen müsse, da die Intensitätsschwankungen innerhalb nur weniger Tage stattfanden. "Wir müssen deshalb unsere Vorstellungen hinterfragen, wie in einem so kleinen Gebiet ein derart immenser Energiegewinn realisiert werden kann", betonte der Astrophysiker. Denn die Elektronen hätten bei den Strahlungsausbrüchen einfach nicht genug Zeit, auf ihrer Bewegung entlang der Magnetfeldlinien auf derartige Energien zu kommen.

Die Wissenschaftler müssen sich daher nun auf die Suche nach besseren Modellen machen, wie Teilchen zu derart hohen Energien gelangen können. Und sie müssen sich - zumindest im Hochenergiebereich - auf die Suche nach einer anderen "Standardkerze" machen, mit der sie ihre Beobachtungen vergleichen können.

science.ORF.at/APA