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Regenwald und blauer Himmel

Amazoniens Wälder trocknen aus

Der tropische Regenwald Südamerikas hat 2005 unter einer "Jahrhundert-Trockenphase" gelitten. 2010 war laut eine aktuellen Studie mindestens ebenso trocken. Forscher befürchten, der Regenwald könnte bald mehr CO2 abgeben als aufnehmen.

Klima 04.02.2011

"Krankheit und ökonomischer Niedergang"

2005 war für Amazonien kein gutes Jahr: hohe Temperaturen, ein ungewöhnlich niedriger Wasserstand im Amazonas und im Rio Madeira und vor allem viel zu geringe Niederschläge. Die "New York Times" schrieb am 11. Dezember 2005: "Die Trockenheit hat ganze Lagunen ausgetrocknet, Waldbrände ausgelöst, Fische und Erntepflanzen getötet. Sie ließ Boote stranden und brachte der lokalen Bevölkerung Krankheit und ökonomischen Niedergang." Drei Jahre später schrieben Forscher, um dessen Ausnahmestatus zu verdeutlichen, von einem "one-in-100-year event", von einem Ereignis, das statistisch nur alle 100 Jahre auftritt.

Negativbilanz: Acht Mrd. Tonnen CO2

Die Studie

"The 2010 Amazon Drought" ist im Fachblatt "Science" (Bd. 331, S. 554; doi: 10.1126/science.1200807) erschienen.

Nun berichtet ein Team um Simon Lewis von der University of Leeds, das Jahr 2010 sei ähnlich, vermutlich sogar noch schlimmer gewesen. "Zwei Ereignisse dieser Größenordnung in so kurzer Zeit sind extrem ungewöhnlich", so Lewis. "Aber leider steht das im Einklang mit Klimamodellen, die Amazonien keine rosige Zukunft voraussagen."

Die Jahre im Vergleich: 2005 führte die Trockenheit per saldo zu einer Freisetzung von fünf Milliarden Tonnen CO2 - in etwa jener Betrag, den die USA pro Jahr durch Verbrauch fossiler Brennstoffe in die Atmosphäre entlassen.

2010 dürfte der Wert laut aktuellen Berechnungen bei acht Milliarden Tonnen CO2 liegen. Grund dafür ist vor allem das Waldsterben: Die Trockenheit tötet Bäume, verhindert, dass sie CO2 speichern, und führt letztlich zur Freisetzung großer Mengen von Kohlendioxid durch Degradierung des Totholzes.

Da die Wälder Amazoniens in normalen Jahren etwa 1,5 Milliarden Tonnen CO2 binden, haben die Trockenphasen 2005 und 2010 die klimatische Pufferkapazität eines ganzen Jahrzehnts aufgebraucht.

Hauptursache: Warme Ozeane

Schaut man im Geflecht der Ursachen noch weiter, sind vor allem zwei Faktoren für das Phänomen verantwortlich. Zum Ersten verstärken hohe Wassertemperaturen das Strömungsverhalten im Pazifik. Die El Nino Southern Oscillation gewinnt dabei an Stärke - und von dieser weiß man schon länger, dass sie mit Trockenheit im brasilianischen Regenwald in Zusammenhang steht.

Zum Zweiten führt eine Erwärmung des atlantischen Oberflächengewässers zu einem veränderten Transport feuchter Luftmassen in den Süden Amazoniens, was in der Folge die Niederschläge dieser Region reduziert.

Fataler Feedback?

Ö1-Sendungshinweis

Über diese Studie berichtet auch die Sendung "Wissen aktuell", Freitag, 4.2.2011, 13.55 Uhr.

Die aktuellen Berechnungen sind allerdings noch mit einigen Unsicherheiten behaftet, wie Paulo Brando, ein Koautor der Studie, betont: "Wir können erst dann genau sagen, wie viele Bäume nun abgestorben sind, wenn wir unsere Messungen auf dem Boden komplettiert haben. Es könnte sein, dass im Jahr 2005 vor allem die empfindlichen Bäume gestorben sind. Es könnte aber auch sein, dass die erste Trockenphase eine große Zahl von Bäumen geschwächt hat - und 2010 zu einer noch schlechteren Bilanz führt."

Ein zweiter Unsicherheitsfaktor sind laut Brando auch Waldbrände, die in der aktuellen Studie noch nicht einbezogen wurden. Dass diese in Phasen der Trockenheit häufiger auftreten und dadurch zusätzlich CO2 in die Atmosphäre entlassen, ist naheliegend - die Größe des Betrags indes ist noch offen.

Studienleiter Simon Lewis weist auf die Möglichkeit hin, dass zusätzliche Emissionen zu einer fatalen Rückkoppelung führen könnten. In Kurzform: Trockenheit - zusätzliches CO2 - höhere Temperaturen - Trockenheit - CO2 usw. "Wenn sich Ereignisse wie diese öfter wiederholen, könnte der Regenwald Amazoniens von einem natürlichen Klimapuffer zu einer natürlichen Quelle von Treibhausgasen werden."

Robert Czepel, science.ORF.at

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