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Ein Sparschwein auf einem Taschenrechner, das einen Doktorhut auf dem Kopf trägt

Fünf Monate nach dem "Budgetschock"

"Unabhängiger Forschung eine Zukunft geben" lautet der Titel einer Tagung in Wien. Veranstaltet wird sie von der "Wissenschaftskonferenz Österreich" (Wiko), die sich im Vorjahr quasi aus Notwehr gebildet hat: Zig Einrichtungen der außeruniversitären Forschung hatten erfahren, dass sie keine Basisförderungen mehr durch das Wissenschaftsministerium erhalten.

Ausseruniversitäre Forschung 11.03.2011

Nach Protesten schlossen sie sich zur Wissenschaftskonferenz zusammen, der nebst anderen das Zentrum für Soziale Innovation (ZSI), das Österreichische Institut für Internationale Politik (ÖIIP) und das Österreichisches Forschungsinstitut für Artificial Intelligence (ÖFAI) angehören.

Wiko-Präsident Peter A. Bruck kritisiert in einem science.ORF.at-Interview die Vorgangsweise der "Budgetisten von Loipersdorf" und des Ministeriums.

Die meisten Einrichtungen gibt es weiter

Peter Bruck:

Porträtfoto von Peter Bruck

ICNM - International Center for New Media/APA-Fotoservice/Preiss

Peter Bruck ist Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter der Research Studios Austria FG sowie Präsident der Wissenschaftskonferenz.

Veranstaltung

Vom 10. bis 11. März findet in Wien die Jahrestagung der Wiko in Wien statt. Titel: "Unabhängiger Wissenschaft und Forschung eine Zukunft geben" (Tagungsprogramm).

Die Vorgeschichte: Wissenschaftministerin Beatrix Karl (ÖVP) hatte nach der Budgetklausur der Regierung im vergangenen Oktober in Loipersdorf angekündigt, rund 70 Forschungseinrichtungen ab 2011 die Basissubvention zu kürzen und dann auslaufen zu lassen, was bis 2014 Einsparungen von 28 Millionen Euro bringen soll. Sie argumentierte neben budgetären Gründen auch mit einer strukturellen Reform der Förderlandschaft.

Am vergangenen Montag meinte sie, dass "es bei der Neugestaltung nicht darum ging, den gesamten Bereich außeruniversitärer Einrichtungen zu streichen, sondern gute Institutionen weiterhin unterstützen zu können." Mit 90 Prozent aller betroffenen Einrichtungen habe sie bereits Gespräche geführt, um Möglichkeiten der Weiterführung auszuloten.

Rund ein Drittel der Einrichtungen dürften in größere Institutionen - vor allem in Universitäten - integriert werden. Dazu kommen Clusterbildungen - etwa der am Montag vorgestellte "Friedenscluster", bei dem das Zentrum für Friedensforschung der Universität Klagenfurt gemeinsam mit drei außeruniversitären Einrichtungen zusammenarbeiten wird.

science.ORF.at: Wie sieht die Situation der unabhängigen Forschungseinrichtungen fünf Monate nach dem "Budgetschock" aus?

Peter Bruck: Sie sind von dem budgetären Kahlschlag, der im Loipersdorfer Budgetentwurf enthalten war und danach umgesetzt wurde, natürlich betroffen. Er hat aber nicht den institionellen und organisatorischen Kahlschlag bedeutet, weil die Forschungsorganisationen flexible Geschäftsmodelle haben und in der Lage sind, sich auch an geänderte Umstände anzupassen. Der Schaden für Österreich ist aber unbestreitbar.

Woran lässt sich der zeigen?

Etwa an dem Verlust der Anbahnungsfinanzierung für EU-Projekte. Das Risiko für die Antragsstellung liegt nun alleine bei den Forschungsinstitutionen, und somit ist zu erwarten, dass wesentlich weniger Anträge gestellt werden. Das gleiche gilt für die Qualitätssicherung und die Infrastruktur der Einrichtungen, die nicht mehr vom Ministerium unterstützt werden. Ziel der Wissenschaftskonferenz Österreich ist es hier gegenzusteuern, sichtbar zu machen, welche Leistungen die Einrichtungen erbringen, und dafür einzutreten, dass diese auch entsprechend abgegolten werden.

Im Herbst herrschte die Befürchtung vor, dass viele Institutionen die Streichung der Subventionen nicht überleben würden. Das ist bisher nicht eingetreten: Hat sich das Argument des Ministeriums, wonach eine "Strukturbereinigung" der Forschungslandschaft notwendig sei, insofern nicht bewahrheitet?

Die Befürchtung, dass die Einrichtungen gleich verschwinden, war nicht die unsere. Dass der budgetäre Kahlschlag aber massive Auswirkungen hat, war und ist richtig. Es bestreitet niemand, dass die Angliederung von Forschungseinrichtungen an Universitäten oder an die Akademie der Wissenschaften in einigen Fällen durchaus passend ist, hier kann eine Strukturbereinigung sinnvoll sein. Was im Herbst aber debattiert wurde und noch wird, ist die Art, wie das ganze abgelaufen ist. Es hat keine Evaluation gegeben, keinen Plan, man hat niemanden vorab informiert, sondern mit einem Schlag acht Millionen Euro aus dem Budget gestrichen, die gesamte Finanzierung auf Null gesetzt und das Geld danach als Offensivmittel deklariert. Ist das eine konstruktive Vorgangsweise, um zum "Innovation Leader" in EU zu werden? So werden Potenziale nicht ausgeschöpft, sondern beschnitten. So wird Zukunft nicht geschaffen, sondern Gegenwart verdüstert.

Es hat im Vorjahr auch Kritik von ganz anderer Seite gegeben, von Forschungseinrichungen, die überhaupt nie in den Genuss von Basissubventionen gekommen sind und auf mehr Transparenz bei der Vergabe öffentlicher Fördermittel pochten. Was antworten Sie heute diesen Kritikern?

Die Wissenschaftskonferenz versucht, die Leistungen aller unabhängigen außeruniversitären Forschungseinrichtungen sichtbar zu machen und zu vertreten. Uns geht es darum, dass Transparenz bei der Abgeltung von Leistungen in der Öffentlichkeit herrscht. Die Basisfinanzierung ist nur eine Form der staatlichen Abdeckung für diese Leistungen. Die Anbahnungsfinanzierung für EU-Projekt z.B. ist eine andere. Sie stand allen offen, die Anträge geschrieben haben. Ähnliches galt für die Qualifikationsoffensiven. Wenn man etwa schaut, was SORA, Forba und ZSI offen zur Weiterbildung von Mitarbeitern in der außeruniversitären Forschung angeboten haben, dann sieht man sehr klar, welche hohen Qualifikationsverbesserungen möglich sind. Dankenswerterweise wurde das durch das Wissenschaftministerium unterstützt, das war auch allen zugänglich - heute gibt es das leider nicht mehr.

Was geschieht bei der Wiko-Jahrestagung inWien?

Sie beschäftigt sich mit drei Themen. Erstens mit der Frage, welche Rolle die außeruniversitäre unabhängige Forschung in Österreich spielen soll und wie man das kommuniziert. Zweitens mit der Frage, welche Funktion dieser Bereich im Innovationssystem und Wissenschaftssystem von Europa haben soll. Und drittens fragen wir leitende Personen des Bereichs, wie die Partnerschaft mit der Republik Österreich, v.a. mit dem Wissenschaftsministerium, sein soll, damit auch in Zukunft die Leistungen erbracht werden können.

In Ihrer Selbstdefinition beschreibt sich die Wissenschaftskonferenz als "Ansprechpartner der Bundesregierung und des BMWF für Angelegenheiten der Wissenschafts- und Forschungspolitik". Wurden Sie schon angesprochen?

Ja, wir werden von verschiedenen Organisationen eingeladen, die Anliegen der unabhängigen Forschungslandschaft zu vertreten und Stellung zu beziehen, es gibt Hintergrundgespräche mit Abgeordneten des Parlaments etc.

Wieviele Mitglieder hat die Wissenschaftskonferenz heute?

Etwa 40, für die Tagung gibt es rund 130 Anmeldungen. Ich gehe davon aus, dass die Wissenschaftskonferenz in den nächsten Monaten auf 50 bis 60 Mitglieder anwachsen wird - eine gute Größe, um diesen Sektor zu vertreten und sein Leistungen sichtbar zu machen.

Interview: Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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