Die Aufklärung dieses molekularen Mechanismus könnte eine neue Erklärung für Unfruchtbarkeit liefern und langfristig zur Entwicklung neuer verträglicher Verhütungsmittel führen.
Der mühsame Weg zur Eizelle
Der Weg bis zur Befruchtung einer menschlichen Eizelle ist für Samenzellen beschwerlich. Zuerst müssen sie durch das saure Milieu der Scheide, wo ein großer Teil bereits zugrunde geht. Die verbleibenden Spermien bewegen sich mit Hilfe ihres flagellenartigen Schwanzes in Richtung Eileiter. Auf diesem Weg werden sie erst zeugungsfähig und das dauert noch mehrere Stunden.
Finden die Samenzellen im Eileiter eine befruchtungsfähige Eizelle, bewegen sie sich auf diese zu. Das passiert natürlich nicht zufällig, aber wie sie diese finden, ist nicht restlos geklärt. Laut den Forschern um Polina V. Lishko von der University of California bekommen sie dabei "Hilfe" von der Eizelle.
Hormonelle Signale
Um das Ei zu befruchten, muss die Samenzelle zuerst die Eihülle, eine dicke wolkenartige Zellschicht, durchdringen. Diese Zellen erzeugen hohe Konzentrationen des Sexualhormons Progesteron, bekannt auch als Gelbköperhormon.

nature
Zu den Studien in "Nature":
"Progesterone activates the prindipal Ca2+ channel of human sperm" von Polina V. Lishko et al.
"The CatSper channel mediates progesterone-induced Ca2+ influx in human sperm" von Timo Strünker et al.
Schon vor 20 Jahren habe man das erste Mal festgestellt, dass bereits deutlich geringere Mengen des Hormons dazu führen, dass Calcium in das Spermium einströmt. Calcium-Ionen sind bei der Reizübertragung in Zellen wesentlich. So auch bei der Steuerung von Spermien: Vermutlich finden diese dadurch erst zum Ziel und werden außerdem so aktiviert, dass es ihnen gelingt die Eihülle zu durchdringen, um dort letztlich mit der Eizelle zu verschmelzen. Die Spermien reagieren dabei in weniger als einer Sekunde auf das Hormon.
Dass Progesteron auf dem Weg zu einer erfolgreichen Befruchtung also eine wichtige Rolle spielt, ist schon länger klar. Allerdings war nicht bekannt, welche Art von Rezeptor die Samenzelle dafür hat, noch wie der molekulare Signalweg aussieht. Dabei wäre dieser Mechanismus auch von klinischer Bedeutung: Ein Störung des Zuflusses der Calcium-Ionen hängt vermutlich auch mit eingeschränkter Fortpflanzungsfähigkeit zusammen.
Molekulares Navigationssystem
Schon 2001 endeckten Forscher bei Mäusen einen entsprechenden Ionenkanal, namens "CatSper". Er liegt in der Zellmembran am Schwanz der Samenzelle. Genetisch manipulierte Mäuse ohne CatSper sind unfruchtbar.
Mittels einer neuen Technik haben nun sowohl Forscher um Polina V. Lishko als auch eine Gruppe um Timo Strünker vom deutschen Center of Advanced European Studies and Research herausgefunden, welche Rolle das Progesteron dabei spielt: Es dockt an die entsprechenden Rezeptoren der Spermien an, öffnet den Ionenkanal CatSper und führt so zum raschen Zufluss von Calcium in die Samenzelle.
Ein fehlerhaftes Navigationssystem könnte laut den Forschern tatsächlich die Ursachen für Unfruchtbarkeit sein. Die Entdeckung ist aber auch aus anderen Gründen medizinisch bedeutsam: Eine gezielte Störung der Kommunikation mit dem Ionenkanal könnte nämlich in Zukunft die Grundlage neuer und verträglicherer Verhütungsmittel bilden.
Eva Obermüller, science.ORF.at