Das Bundesland mit den relativ meisten Legionären war aber Salzburg, berichtet der Historiker Hans Schafranek in seinem jüngst erschienenen Buch "Söldner für den Anschluss". Gemeinsam mit seiner Mitarbeiterin Andrea Hurton hat er eine Forschungslücke geschlossen.
Das Buch:
"Söldner für den Anschluss. Die Österreichische Legion 1933-1938" von Hans Schafranek ist im Czernin Verlag erschienen.
Nach dem Aufsuchen aller relevanten Archive Österreichs und Deutschlands konnten sie eine nahezu lückenlose Datenbank mit den Mitgliedern der Legion erstellen. Darin enthalten sind rund 150.000 Daten zu 15.000 Personen: darunter Geburtsort, Geburtsdatum, Beruf, letzter Aufenthaltsort, Beitrittsdatum zur NSDAP, SA und anderen NS-Organisationen, politische Vorstrafen sowie Fluchtmotive.
Bis zu 9.000 österreichische Nazis in Deutschland

Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands
Die Gründungsmitglieder der Österreichischen Legion

Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands
Die Legion bei einem Aufmarsch

Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands
Das erste Lager in Lechfeld nahe Augsburg

Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands
Legionäre beim Einmarsch am 30.3.38 in Amstetten

Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands
Übergabe der Sturmfahnen beim Einmarsch der Legionäre am 30.3.38 in Salzburg

Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands
Am 2.4.38 wurde ein "Tag der Legion" abgehalten, hier der Heldenplatz in Wien. Sie wurde dennoch rasch abgewickelt.
Der Begriff "Österreichische Legion" wurde von den Nazis selbst und auch von der zeitgenössischen Presse verwendet, wie Schafranek gegenüber science.ORF.at erklärt. Offiziell handelte es sich aber um einen Teil der "SA Obergruppe VIII" (bzw. ab März 1934 der Obergruppe XI), die von Hermann Reschny geführt wurde und zusätzlich die illegale SA in Österreich umfasste.
Die paramilitärische Organisation bestand aus illegalen österreichischen Nazionalsozialisten, die nach dem Verbot der NSDAP am 19. Juni 1933 nach Deutschland geflücht waren. Fast alle von ihnen waren Angehörige der SA, zu Beginn waren sie im Lager Lechfeld nahe Augsburg in Bayern stationiert.
Zwischen 1933 und dem "Anschluss" 1938 fluktuierte die Zahl der Mitglieder stark, den Höchststand erreichte die Legion mit 9.000 Mann nach dem Juliputsch 1934, als zahlreiche, in die Kampfhandlungen mit dem Dollfuß-Regime verwickelte "Illegale" flohen.
Wolfsberg vor Leibnitz und Spittal/Drau
Mit der neuen Datenbank lässt sich nebst anderem eine geografische Rangliste der Naziaktivität in Österreich aufstellen. Die relativ meisten Legionäre stammten ihrzufolge aus Salzburg, Kärnten und Tirol, die wenigsten aus Niederösterreich, Wien und dem Burgenland.
Den ersten Platz der 112 politischen Bezirke Österreichs mit dem größten Anteil an Legionären in Relation zur Wohnbevölkerung nimmt Wolfsberg in Kärnten ein. Auf den folgenden Plätzen: Leibnitz/Steiermark, Spittal an der Drau/Kärnten, Zell am See/Salzburg und Kitzbühel/Tirol.
Die relativ meisten Legionäre in Niederösterreich stammten aus Waidhofen an der Ybbs, jene in Oberösterreich aus Schärding, jene in Vorarlberg aus Feldkirch, jene in Wien aus dem achten Gemeindebezirk und jene im Burgenland aus Rust. Der Bezirk mit der relativ geringsten Legionärsdichte war Oberpullendorf im Burgenland.
Ein repräsentatives Bild
Hans Schafranek meint, dass die Ergebnisse seiner Studie repräsentativ für die Gesamtstruktur der illegalen NS-Betätigung in Österreich sind.
"Wir haben mit den Daten der Österreichischen Legion ein sehr großes Sample zur Verfügung. Die NSDAP hatte im Jänner 1933 43.000 Mitglieder, im Juni des gleichen Jahrs waren es bereits 68.000. Da von den 15.000 Legionären annähernd 10.000 auch Mitglieder der Partei waren, haben wir Daten zu 15 Prozent aller Parteimitglieder. Und das ist sehr viel mehr als bei üblichen Stichproben", so der Historiker und freie Mitarbeiter am Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands.
80 Prozent jünger als 30
Neben ihrer Herkunft fand Schafranek auch das Alter der Legionäre bemerkenswert. Wie schon frühere Studien zu den Juliputschisten gezeigt haben, waren die illegalen Nazis sehr jung: 80 Prozent von ihnen waren jünger als 30 Jahre, die stärksten Geburtsjahrgänge befanden sich zwischen 1910 und 1914.
Herausragend wieder der politische Bezirk Wolfsberg: Hier sind gleich elf Prozent der 19- bis 24-jährigen Männer geflüchtet und zur Österreichischen Legion gegangen. "Das deckt sich mit Erzählungen älterer Zeitzeugen, wonach damals ganze Täler von jungen Männern entvölkert waren", sagt Schafranek.
Strategieänderung macht Legion bedeutungslos
Die Geschichte der Österreichischen Legion sollte sich wenig ruhmreich entwickeln. Sie war als Bürgerkriegsarmee gedacht, jahrelang träumten ihre Mitglieder von einer baldigen Rückkehr nach Österreich. "Was ihre Hoffnungen beseelte, hat SA-Standartenführer Glück in einer Brandrede 1933 so formuliert: 'Bei der Rückkehr drei Tage lang rauben, plündern und morden, und danach sichere Staatsanstellungen.'"
1935 wurde die Legion von Bayern nach Norddeutschland umgesiedelt und verlor somit ihre Rolle als außenpolitisches Drohpotenzial. Mit dem Juliabkommen 1936 zwischen Schuschnigg und Hitler änderte sich die politische Strategie der Nazis. Statt direkter militärischer Konfrontation wurde nun auf die Aushöhlung und Unterwanderung der staatlichen Organisationen Österreichs gesetzt.
Materiell entschädigt durch Arisierungsgüter
Als am 12. März 1938 dann der "Anschluss" erfolgte, spielte die Österreichische Legion keine Rolle mehr. Erst Ende des Monats kehrten ihre Mitglieder heim, und auch nur dank einer Intervention von SA-Obergruppenführer Hermann Reschny, einem persönlichen Vertrauten von Hitler.
"Zu diesem Zeitpunkt hat es schon viele Anwärter auf wirtschaftliche und politische Pfründe in Österreich gegeben, da wollte die Legion niemand mehr haben, weder die SS noch die Wehrmacht noch Wilhelm Keppler, der im Auftrag Görings den Anschluss vorbereitet hat", erzählt Schafranek.
Um die frustrierten "alten Kämpfer" aber zumindest materiell zu entschädigen und wohl auch um sie ruhigzustellen, wurden sie bei der Vergabe des Diebsguts, das aus den Arisierungen stammte, bevorzugt behandelt. "Das spricht nicht für ihre politische Bedeutung, sondern eher dafür, dass sie politisch im Abseits standen und man versuchte, ihr revoltierendes Potenzial einzudämmen", erklärt Schafranek.
Bürokratie zum Abwickeln
Ö1 Sendungshinweis
Dem Thema widmete sich auch ein Journal Panorama: 7.3., 18:25 Uhr.
Geholfen hat dabei auch der bürokratische Apparat, der die Österreichische Legion im letzten Dreivierteljahr ihres Bestehens abgewickelt hat. Von den 4.500 zum Schluss aktiven Legionären waren über 500 hauptamtliche SA-Funktionäre.
Die eigens eingerichtete Abwicklungsstelle bestand aus 220 Personen, die Legion war mehr oder weniger zu einem bürokratischen Selbstversorgungsverein geworden. Schafranek: "Im Gegensatz aber etwa zur SS hat sie keine organisierten Spuren in Form von Seilschaften hinterlassen."
Lukas Wieselberg, science.ORF.at
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