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Fledermaus (Große Mausohrfledermaus) im Flug

Zuckervorliebe schadet Fledermäusen nicht

Fledermausarten, die sich von Nektar ernähren, sind wahre "Sugarholics": Sie nehmen in kurzer Zeit so viel Süßes zu sich, dass ihr Blutzucker in Höhen schnellt, die für andere Säugetiere tödlich wären. Dennoch erkranken sie nicht an Diabetes oder anderen Stoffwechselstörungen, berichten deutsche Forscher.

Biologie 13.04.2011

Um zu den Ergebnissen zu kommen, wurden Langzungenfledermäuse behandelt wie wahre Leistungssportler: Sie durften nur exakt gemessene Mengen von Zuckerlösungen zu sich nehmen und bekamen nach genau festgelegten Ruhe- und Flugeinheiten Blut abgenommen, beschreiben der Zoologe Detlev Kelm vom Leibniz Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin und Kollegen.

Die Studie:

"High activity enables life on a high sugar diet: blood glucose regulation in nectar-feeding bats" ist in den "Proceedings of the Royal Society B" erschienen (DOI:10.1098/rspb.2011.0465).

Schädlicher Blutzucker

Aus vielen Studien weiß man, dass ein permanent erhöhter Blutzuckerspiegel für Säugetiere inklusive den Menschen so schädlich ist, dass er zu schweren Erkrankungen führen kann. Diabetes Mellitus kann unter anderem zu Bluthochdruck, Durchblutungsstörungen, Nierenversagen und Leberschädigung führen.

Nun gibt es aber Tierarten, die sich prinzipiell nur zuckerreich ernähren und trotzdem keinen Schaden nehmen. Die Langzungenfledermaus (Glossophaga soricina) ist eine davon: Der Nektar, den sie konsumiert, besteht zu 30 Prozent aus Glukose, Fructose und Saccharose.

Und sie ist nicht gerade maßvoll: Wenn sie genug Nektar findet, nimmt die Fledermaus Nektar im Ausmaß von bis zu einem Viertel ihres Körpergewichts in einer Nacht zu sich. Und trotzdem werden die Tiere mit mehr als zehn Jahren relativ alt.

Bewegung baut Zucker ab

Eine Langzungenfledermaus nascht von einer Blüte.

Max-Planck-Gesellschaft

Eine Langzungenfledermaus beim Naschen

Um zu klären, warum die Fledermäuse nicht zuckerkrank werden, unterzogen die Forscher um Detlev Helm die Tiere einem Fitnesscheck: Zuerst durften sie sich mit einer Zuckerlösung stärken, dann wurde abwechselnd geflogen und ausgeruht.

Nach jeder Einheit wurde der Blutzuckerspiegel untersucht, und dabei zeigte sich: Die anstrengenden Flugbewegungen und eine - damit verbundene - Besonderheit des Stoffwechsels bewahren die kleinen Tiere langfristig vor den schädlichen Auswirkungen des hohen Zuckerkonsums.

Dabei erleben die Tiere gleich nach einer Mahlzeit einen wahren Zuckerschock: Zehn bis 30 Minuten nach dem "Essen" weist ihr Blut einen Blut-Glukose-Level auf, der für andere Säugetiere tödlich wäre, schreiben die Biologen in ihrer Studie.

Besonderes Enzym

Dass der Zucker mit der Bewegung so schnell verschwindet, hängt mit einer Besonderheit des Stoffwechsels der kleinen Tiere zusammen: Sie verfügen im Magen und Darm über ein Enzym, mit dem Süßes sofort aufgespalten und den Muskelzellen als Treibstoff zur Verfügung gestellt werden kann.

Im Gegensatz zu anderen Säugetieren und auch zum Menschen verwandeln die Fledermäuse Süßes nicht in Fett - "um durch höheres Gewicht den Flug nicht zu erschweren", schreiben Detlev Helm und Kollegen.

Kein Freibrief für Sportler

Dieser hocheffiziente Zuckerabbau durch Bewegung ermöglicht es Langzungenfledermäusen, dann besonders viel Nektar zu sich zu nehmen, wenn die Blüten ihn bieten - und trotzdem nicht daran zu erkranken.

Menschen, die nun meinen, vor intensivem Sport besonders viele Süßigkeiten naschen zu dürfen, erteilen die Forscher aber eine Absage: Denn während Fledermäuse Zucker zum Muskelantrieb zu fast 100 Prozent verwerten, tun das Menschen nur zu rund 30 Prozent.

Elke Ziegler, science.ORF.at

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