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2 Playmobilmännchen sitzen in einem Emmentaler, eines trägt eine Schweizer, das andere ein Österreichische Fahne

"Bei Förderung ist Stabilität am wichtigsten"

Anders als in Österreich setzt die Schweiz, häufiges Vorbild bei Wissenschaft und Forschung, schwerpunktmäßig auf Förderung von Grundlagenforschung. Für Dieter Imboden vom Schweizer Nationalfonds (SNF) zählt hier vor allem Stabilität und Verlässlichkeit.

Grundlagenforschung 04.05.2011

In einem APA-Interview spricht sich der Präsident des Nationalen Forschungsrates des SNF gegen eine "Stop-and-Go-Politik" aus.

APA: Die Schweiz gilt als vorbildlich bei Wissenschaft und Forschung. Gibt es auch forschungspolitische Baustellen?

Dieter Imboden: Die Schweiz hat ein gutes Wissenschaftssystem. Aber es gibt zwei wichtige Baustellen, die auch in Österreich eine Rolle spielen. Die eine hat mit der Frage zu tun, wie sich Fachhochschulen in das Wissenschaftssystem eingliedern. Schafft man Universitäten erster und zweiter Klasse? Bekommen Fachhochschulen Promotionsrecht? Die andere Frage betrifft eine generelle Bildungsdiskussion. Wie viele Leute sollen an die Universität? Ist ein Land besser dran, wenn es wie in Frankreich eine Maturitätsquote von 60 bis 70 Prozent gibt oder ist das sinnlos? Was passiert mit den Nicht-Maturierten? Der Ansatz ist ja nicht: Je höher man qualifiziert ist, desto besser.

Porträtfoto von Dieter Imboden

SNF

Dieter Imboden, Präsident des SNF, Umweltphysiker der ETH Zürich und seit 2009 Präsident der European Heads Of Research Councils (Eurohorcs), einer Vereinigung nationaler Forschungsförderungsorganisationen, sprach am Dienstagabend im Rahmen der ARA-Lecture "Wissen schafft Zukunft" an der Technischen Universität Wien über die Erfordernisse für ein effizientes Wissenschaftssystem.

Als Chef des größten Schweizer Förderers von Grundlagenforschung steht Ihnen mit rund 470 Millionen Euro pro Jahr drei Mal mehr zur Verfügung als dem österreichischen Wissenschaftsfonds FWF. Welche Rolle spielt die Grundlagenforschung für ein Land, das bei Innovationen zu den Spitzenreitern zählen will?

Die Grundlagenforschung ist die Basis. Ein Vergleich: In einem Ökosystem haben sie die Primärproduzenten, die aus Sonnenlicht Biomasse aufbauen können. Die Grundlagenforschung ist die Primärproduktion. Wir Menschen, die nicht über die Photosynthese Energie gewinnen, würden über kurz oder lang aussterben. Sie müssen einen Werkzeugkasten von Wissen generieren, sonst können Sie in der Anwendung nie effizient auf ein Ziel hinarbeiten.

Sie sehen Universitäten als fruchtbare Böden für das Wachstum der Pflanze Wissen. Doch wie muss man diese Böden beackern, um ein effizientes Wissenschaftssystem zu erhalten?

Auch ein Forschungssystem, das auf Grundlagenforschung basiert, ist eine diffizile Angelegenheit - wie Böden. Zerstört man Böden, dauert es lange, bis sie wieder Fruchtbarkeit aufgebaut haben. Somit ist das Wichtigste in der Grundlagenforschung die Stabilität. Es braucht nicht hohe Wachstumsraten. Aber es darf keine Stop-And-Go-Politik geben, also das Auf- und wieder Abbauen von Forschungsbereichen.

Ein Beispiel?

Alle sprechen von alternativen Energien. Ich kann jedoch nicht innerhalb eines Jahres die Forschung verdoppeln, denn dafür fehlen die Leute. Aber ich darf auch nicht nach zehn Jahren der Förderung und einer Verdoppelung der Energieforschung im elften Jahr sagen, dass ich wieder auf die Hälfte zurückgehe. Dann waren die langfristigen Investitionen für die Katz. Der wichtigste Nährboden ist - natürlich bei einer gewissen Höhe der Finanzierung - auch die Verlässlichkeit der Unterstützung.

Österreich hat mit 22 Unis fast mehr als doppelt so viele Unis vorzuweisen wie die Schweiz mit zwölf Hochschulen inklusive von Top-Einrichtungen wie etwa die ETH Zürich. Stellt sich die Frage der Profilierung und Spezialisierung?

Ich wage jetzt nicht zu sagen, dass die Anzahl der Unis in Österreich zu hoch ist. Man hat für 20 gute Hochschulen genügend Platz, wenn es einen Prozess gibt, so dass sich diese in gewissen Nischen profilieren können. Das Modell der Zukunft wird sein, dass es immer ein paar Universitas im eigentlichen Sinne geben wird, einige Große. Daneben gibt es Platz für Nischen. Die Frage ist, wie man die Struktur bildet. Man muss Instrumente anbieten, über die sich die Unis um Forschungsschwerpunkte bewerben können. Hat eine Forschungsgruppe Erfolg, kann die Universität entscheiden, ob sie andere Gruppen - falls man sparen muss - abschafft.

Das geht über eine entsprechende Forschungsförderung?

Ö1 Sendungshinweis:

Vergangenen Mittwoch wurde im Ministerrat der Finanzrahmen für die Jahre 2012 bis 2015 das erste Mal im Nationalrat diskutiert. Beinhaltet sind dabei auch 80 Millionen an Sondermitteln für die Hochschulen und 100 Millionen für die Forschungsförderung: Mittagsjournal, 29.4.

Genau. Ich bin der Meinung, dass Forschung und Lehre zusammengehören. Wenn man Forschungsschwerpunkte bildet, bedeutet das automatisch auch gute Lehre. Wenn man nur die Lehre ohne die Bildung eines Forschungsschwerpunktes fördert, dann hat man nur eine Schule.

Sie haben einmal gesagt, dass Sie Forschung als Teil der Kultur von Gesellschaften wie etwa auch die Kunst sehen. Mangelt es hier noch an allgemeinem Bewusstsein?

Diese Vorstellung war besser in den 1950-70er Jahren verankert und ist heute wieder abhandengekommen. Durch die Kommerzialisierung und Entwicklung globaler Märkte ist ein starker Druck entstanden. Es gibt die Tendenz zu sagen: Was morgen nicht aus einem Euro zwei macht, gilt nicht. Das war damals nicht so. Es geht daher nicht um die Frage, ob wir schon bei dem Verständnis angekommen sind, sondern im Augenblick müssen wir wieder darum ringen zu realisieren, dass Forschung ein Teil der Kultur sein sollte.

Interview: Lena Yadlapalli/APA

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