Abweichungen von der Norm werden in solchen Gesellschaften häufiger bestraft, besagt die Studie eines Teams um Michele Gelfand von der University of Maryland, zu dem auch zwei Forscherinnen der Universität Linz gehören. Gleichzeitig prägen diese Kulturen auch eher Einrichtungen, die auf die Einhaltung der Regeln achten.
"Streng" versus "locker"
Zur Studie in "Science":
Cultures: A 33-Nation Study" von Michele J. Gelfand et al.
Die Studie umfasste eine Befragung von rund 6.900 Personen aus 33 Ländern, darunter Österreich. Die Befragten sollten etwa die Angemessenheit von Verhaltensweisen, beispielsweise das Weinen, Flirten oder Essen, in verschiedenen Situationen, so etwa beim Partybesuch, bei einem Begräbnis, in einer Bank oder im Restaurant, beurteilen.
Dabei zeigten sich klare Unterschiede zwischen "strengen" und "loseren" Kulturen. In Ersteren sind die Normen Regeln streng und Abweichungen werden eher beziehungsweise härter bestraft; entsprechende Institutionen achten auf deren Einhaltung und verstärken gleichzeitig die strikteren sozialen Normen. In eher lockeren Kulturen gibt es weniger Regeln und eine hohe Toleranz für von der Norm abweichendes Verhalten.
Österreich ist "mittelstreng"
Diese Ergebnisse setzten Gelfand und ihre Kollegen mit verschiedenen Faktoren, die eine Bedrohung für eine Gesellschaft darstellen, in Bezug. Dazu zählten sie etwa innere und äußere Konflikte, Seuchen, Naturkatastrophen oder Ressourcenknappheit.
Die interdisziplinäre Analyse zeigte, dass Bedrohungen - sowohl in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit - einen wesentlichen Einfluss darauf haben, wie "streng" eine Gesellschaft heute ist. Die Entstehung von Gesellschaftsordnungen sei ein komplexer Prozess, aber Gefahren spielen offenbar eine wichtige Rolle.
Auf dem Strenge-Index der Forscher liegt Österreich (6,8 Punkte) im Mittelfeld, u.a. mit Ländern wie Frankreich, Deutschland, Italien und Großbritannien. Zu den "loseren" Gesellschaften zählen etwa die Ukraine (1,6) und Estland (2,6). "Strenge" Vertreter sind Pakistan (12,3), Malaysia (11,8) und Indien (11). Aus Österreich wurden 194 Studenten und Berufstätige, befragt - für dieses Land eine repräsentative Größe, so die ebenfalls an der Studie beteiligte Iris Fischlmayr vom Institut für Internationales Management an der Universität Linz.
Hilfreiches Wissen bei internationalen Beziehungen
Wichtig sind diese Erkenntnisse laut den Forschern in Hinblick auf interkulturelle Missverständnisse. Es geht nicht um die Frage, welches die bessere Form des Umgangs ist, sagte Iris Fischlmayr gegenüber der APA. "Es wird auch festgehalten, dass jede Gesellschaft für sich beanspruchen würde, dass das eigene System das bessere ist, weil man in ihm aufgewachsen ist. Das jeweils andere wird als ungerecht und unmoralisch angesehen, was somit Quelle von kulturellen Konflikten ist. So ist es auch schwierig, von der einen in die andere Gesellschaft zu wechseln."
Die Ergebnisse der Studie sollten das bessere Verständnis zwischen Kulturen "in einer Welt mit zunehmender gegenseitiger Abhängigkeit" unterstützen, schreiben die Forscher. "Wenn Extreme aufeinandertreffen, jemand also vom jeweils ganz anderen Pol her kommend einer entgegengesetzten Gesellschaft begegnet, lassen sich aus der Studie Verhaltensweisen ableiten, die hilfreich wären. Beispielsweise für Auslandentsendung, internationale Projekte oder bei Einsätzen des Militärs", so Fischlmayr.
science.ORF.at/APA