Nicht ganz universelle Mimik
Gelächelt wird überall ähnlich: Die Mundwinkel werden nach oben gezogen, gleichzeitig werden die Muskeln der Augenpartie aktiv, kleine Krähenfüße entstehen - zumindest beim echten Lächeln. Am vorgetäuschten Lächeln sind die Augen in der Regel nicht beteiligt.
Wie Studie zeigen, achten Menschen aus westlichen Kulturen dennoch primär auf den Mund, um ein Lächeln zu erkennen. Die Augen dienen nur als zusätzliches Signal, um die Echtheit des Gefühlsausdrucks zu überprüfen. Anders bei Menschen aus dem asiatischen Raum: Sie konzentrieren sich generell mehr auf die Augen, um die Gefühle ihres Gegenübers zu identifizieren. Das geht sogar soweit, dass sie die Mundregion völlig ignorieren, was mitunter zu Fehlinterpretationen führen kann.
Diese kulturelle Differenz zeigt sich sogar bei der Verwendung sogenannter Emoticons, während bei uns so :-) gelächelt wird, betont das virtuelle Lächeln der Japaner die Augen: (^_^).
Zur Studie in "PLoS ONE":
"Eyes Are Windows to the Chinese Soul: Evidence from the Detection of Real and Fake Smiles" von Xiaoqin Mai et al.
Eine Erklärung für die stärkere Bewertung der Augen sind die in Asien üblichen restriktiveren Regeln beim Ausdruck von Gefühlen, wie die Forscher rund um Xiaoqin Mai von der University of Michigan in ihrer Studie schreiben. Für chinesischen Frauen gelte es beispielsweise als nicht angebracht, beim Lächeln die Zähne zu zeigen. Durch die verhaltene Ausdrucksweise rücken die Augen ins Zentrum der Aufmerksamkeit, die können gewissermaßen nicht lügen.
Persönlichkeit prägt den Blick
Für ihre aktuelle Untersuchung haben die Wissenschaftler nun Experimente mit Menschen chinesischer Herkunft durchgeführt, um festzustellen, ob es zusätzlich zu den bekannten kulturellen Differenzen auch Unterschiede zwischen den Individuen gibt.
Auf Bildern mussten die Probanden zwischen echten und falschen Lächeln unterscheiden. Gleichzeitig sollten sie einschätzen, welche Gesichtsregion bei dieser Entscheidung maßgeblich für sie war. Wie die Auswertung zeigte, landeten jene, die sich eher an den Augen orientierten, deutlich mehr Treffer.
Zusätzlich wurden die persönlichen Einstellungen der Teilnehmer mittels Fragebogen erhoben, um festzustellen, ob diese eher individuell oder kollektiv orientiert sind. Diese Werte wurden wiederum mit den Ergebnissen der Lächel-Tests korreliert. Wie die Forscher vermutet hatten, zeigte sich auch hier ein Zusammenhang: Die eher sozial ausgerichteten Personen hatten beim Erkennen eines echten Lächelns deutlich besser abgeschnitten.
Laut den Wissenschaftler ein Indiz dafür, dass neben der Kultur auch die Persönlichkeit des einzelnen maßgeblich dafür ist, wie gut er die Gefühle seiner Mitmenschen "lesen" kann. Die Untersuchung zeige gleichzeitig, dass eher kollektiv orientierte Personen mehr auf die Augen achten, was wiederum erklären könnte, warum dieses Wahrnehmungsmuster für asiatische Gesellschaften typisch ist.
Eva Obermüller, science.ORF.at