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Ein Faultier hängt von einem Ast

Warum Faultiere so faul sein können

Ihr Leben steht buchstäblich kopf: Den überwiegenden Teil ihres Lebens verbringen Faultiere auf Ästen, von denen sie kopfüber herunterhängen. Müssen sie sich bewegen, so tun sie das nur sehr langsam. Warum die Tiere so "faul" sind und wie sich ihr Bewegungsapparat an diesen Lebensstil angepasst hat, haben nun deutsche Forscher untersucht.

Verhaltensforschung 19.07.2011

Für seine Doktorarbeit hat John Nyakatura von der Universität Jena die Bewegung von Faultieren mit einer Röntgenvideoanlage gefilmt und anschließend analysiert. Dabei hat er herausgefunden, dass sich ihre Fortbewegung gar nicht so sehr von der anderer Säugetiere - wie z.B. Affen -unterscheide.

Langsames "Laufen" unter dem Ast

Ein Faultier wird im Rahmen der täglichen Fütterung von John Nyakatura an die Kletterstange gewöhnt

John Nyakatura

Ein Faultier wird im Rahmen der täglichen Fütterung von John Nyakatura an die Kletterstange gewöhnt.

Rekonstruktion des Skeletts eines Faultiers

John Nyakatura/FSU

Rekonstruktion des Skeletts eines Faultiers

Röntgenaufnahme eines Faultiers

John Nyakatura/FSU

Röntgenaufnahme von Kopf und Schulter eines Zweifingerfaultiers

Faultiere stammen aus Mittel- und Südamerika und hangeln sich kopfüber mit ihren langen Armen samt Sichelkrallen an den Ästen entlang. Dass sie nur in Zeitlupentempo vorwärtskommen und auch noch bis zu 15 Stunden am Tag schlafen, brachte ihnen ihren Namen ein.

"Ihre Beinstellung und die Beugung der Gelenke entspricht dabei exakt denen anderer Säugetiere beim Laufen", erläuterte Forscher Nyakatura. Ihre Fortbewegung könne daher praktisch als "Laufen unter dem Ast" beschrieben werden - nur viel langsamer als bei anderen Vierbeinern.

Unterschiede der Anatomie

Deutliche Unterschiede fand der Evolutionsbiologe allerdings im anatomischen Aufbau der Tiere. "Faultiere besitzen sehr lange Arme, aber nur sehr kurze Schulterblätter, die frei beweglich einem schmalen, abgerundeten Brustkorb aufliegen. Das verleiht ihnen einen maximalen Bewegungsradius."

Außerdem sei es bei den Faultieren zu einer Verschiebung der Ansatzstellen bestimmter Muskeln gekommen, was es ihnen ermögliche, das eigene Körpergewicht mit möglichst geringem Energieaufwand zu halten.

"Die Anpassung an die langsame, energiesparende Art der Fortbewegung erfolgte in der Evolution der Faultiere ausschließlich über die Anatomie", bilanziert John Nyakatura. Das sei umso erstaunlicher, als sich dieses Prinzip gleich zwei Mal unabhängig voneinander entwickelt habe: bei den Zweifingerfaultieren ebenso wie bei den Dreifingerfaultieren.

Denn anders als es äußere Erscheinung und Lebensweise der Tiere vermuten lassen, sind diese beiden Familien evolutionär gesehen nur relativ weitläufig miteinander verwandt.

Leben im Energiesparmodus

"Faultiere führen ein Leben im Energiesparmodus", erklärte Martin Fischer, Inhaber des Jenaer Lehrstuhls für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie. Damit hätten sie eine ökologische Nische besetzt, bei der sie energiearmes Futter mit einer bewegungsarmen Lebensweise verknüpften.

Denn in der Natur eilen sie nicht wie andere Tiere von einer Nahrungsquelle zur anderen, sondern begnügen sich mit Blättern und Blüten, die ihnen quasi ins Maul wachsen. Dieses Erfolgsrezept habe eigentlich mit Faulheit so gar nichts zu tun, erklärte Fischer.

science.ORF.at/dpa

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