Denn wenn Kindern in diesen frühen Jahren Englisch beigebracht wird, lernen sie in den meisten Fällen eine Sprache, die sie außerhalb des Unterrichts nicht brauchen und daher auch nicht verwenden, meint Hans Jürgen Krumm.
"Es wäre ein schlechter Start in das Lernen, wenn man gleich zu Anfang Unbrauchbares lernt", so der mittlerweile emeritierte Professor für Deutsch als Fremdsprache im neu erschienenen Sammelband "Europasprachen".
Besser eine "benachbarte" Sprache
Aus sprachpädagogischer und sprachpolitischer Sicht sollte die erste Fremdsprache für Kinder immer eine sein, die es in ihrem Lebensumfeld gibt, etwa die Sprache eines Nachbarlandes oder die Sprache ortsansässiger Minderheiten.
"Englisch wäre in vielen Fällen erst die zweite Fremdsprache, wenn Kinder ins Computer- und Pop-Musikalter kommen, die Sprache also lernen wollen."
Das Buch:
"Europasprachen", herausgegeben von Peter Cichon und Michael Mitterauer, Böhlau Verlag Wien
Englisch - ein Ausdruck von Dominanz
Krumm warnt außerdem vor einer Tendenz, dass die Mehrsprachigkeit in der EU verschwindet, und zwar zu Gunsten des Englischen als einziger internationaler Wirtschafts-, Wissenschafts- und Kommunikationssprache. Für ihn hat die Zunahme des Englischen nicht primär mit Verständigung verschiedensprachiger Menschen zu tun, für ihn geht es dabei vielmehr um "die Durchsetzung politisch-wirtschaftlicher Dominanz".
Mit weitreichenden Folgen, wie der Germanist meint, denn: "Einsprachigkeit bedeutet Abhängigkeit, bedeutet Dominanz der einen Gruppe und ihrer Sprache über die anderen."
Vorherrschende Sprachen wechselten mit der Zeit
Der vom Romanisten Peter Cichon und dem Wirtschafts- und Sozialhistoriker Michael Mitterauer herausgegebene Band zeigt jedoch deutlich auf, dass Englisch in Europa erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit die dominante Rolle unter den Sprachen einnimmt. Allerdings sei lediglich das Lateinische im Mittelalter ebenso weit verbreitet gewesen wie Englisch heute, betont Cichon.
Das Spanische als Nachfolger von Latein konnte im 16. Jahrhundert nur noch bedingt die Doppelfunktion von weltlicher und kirchlicher Verkehrssprache erfüllen. Das Französische, von Mitte des 17. bis Ende des 19. Jahrhunderts paneuropäisch verbreitet, konzentrierte sich auf Diplomatie, höfische Kreise und Bildungsbürgertum.
Das Italienische war als Europasprache überhaupt nur im Kulturbereich präsent, Deutsch wiederum hauptsächlich als Wissenschaftssprache und das vor allem im mittelosteuropäischen Raum.
science.ORF.at/APA
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