Die Studie:
"Dietary quality and encephalization in platyrrhine primates" ist in "Proceedings of the Royal Society" erschienen.
Die Anthropologen Kari L. Allen und Richard F. Kay von der Duke University widersprechen dieser These. In einer aktuellen Studie haben sie die Gehirngrößen und Nahrungsgewohnheiten eines Affenstammes untersucht.
"Explosion" vor zwei Millionen Jahren
Das Wachstum des Gehirns unserer Vorfahren hat sich vor rund zwei Millionen Jahren enorm beschleunigt - im Gegensatz zu dem der Affen. Hatte das Denkorgan des damals lebenden Homo habilis ein Volumen von lediglich 600 Kubikzentimeter, so hatte der Homo sapiens vor 190.000 Jahren bereits 1.400 Kubikzentimeter an Gehirnvolumen.
Mögliche Gründe für diesen "Größenexplosion" gibt es viele: ein Klimawandel etwa, der die frühen Menschen vor große Herausforderungen gestellt hat; oder aber veränderte Ernährungsgewohnheiten, die den Stoffwechsel des Körpers verändert haben.
Machte Fleisch gescheit?
1995 stellten die Wissenschaftler Leslie C. Aiello und Peter Wheeler die so genannte Expensive Tissue Hypothesis (ETH) auf: Ihrzufolge besteht zwischen zwei Trends der Hominiden-Entwicklung eine Verbindung: Einerseits verkleinerte sich im Lauf der Evolution ihr Darm, andererseits vergrößerte sich ihre Gehirnmasse.
Vergleiche des Verhältnisses der Körpergröße zum Hirnvolumen von anderen Säugetieren zeigten, dass das Gehirn unserer Vorfahren viel größer war, als zu erwarten wäre. Damit einher ging eine Verkürzung des Darms der Hominiden.
Die Forscher erklärten sich dies mit der Umstellung der Nahrung. Der erstmalige Fleischkonsum dürfte eine wichtige Rolle gespielt haben, denn Fleisch ist weit energiereicher als Pflanzennahrung. Weniger Pflanzen zum Verdauen bedeutete auch, dass das Verdauungssystem nicht so schwer belastet wird.
Die Energie, die das Verdauungssystem nun nicht mehr brauchte, und die Energie durch die neue Nahrung wurden im Gegenzug ins Gehirnwachstum investiert. Die kognitiven Fähigkeiten unserer Vorfahren verbesserten sich, sie erfanden Werkzeuge, die die Nahrungssuche noch effizienter gestalteten, so die Vermutung. Was zuerst kam, die Erfindung der Waffen und Werkzeuge, die Vergrößerung des Gehirns oder die Verkleinerung des Darms, wussten die Forscher nicht zu beantworten.
Neue Erkentniss, altes Rätsel
Die neue Studie von Kari L. Allen und Richard F. Kay widerspricht allerdings diesen Vermutungen. Die evolutionären Anthropologen untersuchten verschiedene Arten von Breitnasenaffen, denn die Tiere dieses Primatenstammes sind zwar in etwa gleich groß, weisen jedoch große Unterschiede in ihrer Gehirngröße auf.
Die Wissenschaftler verwendeten für ihre statistischen Berechnungen dreierlei Daten: die Gehirngröße der Affen, welche sie mithilfe der Schädelgröße berechneten, ihre Körpermasse und die Qualität ihrer Nahrung.
Es zeigte sich, dass bei den allermeisten heute lebenden Arten die ETH zutraf: qualitativ hochwertige Nahrung geht dabei mit großen Gehirnen einher. Die Forscher fanden aber auch eine Ausnahme: Eine Gattung der Breitnasenaffen, die Brachyteles hat zwar ein großes Hirn, ernährt sich aber nicht ausgesprochen gut. Und stellt man die stammesgeschichtliche Entwicklung der Breitnasenaffen in Rechnung, dann stimmt der Zusammenhang auch für eine Reihe weiterer Vertreter des Stammes nicht. Die Affen hätten bereits eine höherwertige Nahrung zu sich genommen, lange bevor ihre Gehirne zu wachsen begannen, schreiben die Forscher.
Intelligenz nicht immer hilfreich
Mit der aktuellen Studie ist unter die Debatte des Gehirnwachstums kein Schlusstrich gezogen, weitere werden mit Sicherheit folgen. Dass ein großes Gehirn ob seines hohen Energieverbrauchs nicht immer hilfreich ist, zeigt das Beispiel Hund. Das Hirnvolumen unseres treuesten Begleiters nahm im Laufe seiner Entwicklung stetig ab. Das Gehirn seines Vorfahren, des Wolfes, ist nun um gut ein Drittel größer.
Der Bandwurm ist ein noch extremeres Beispiel für die Rückwärtsentwicklung. Dieser Parasit lebt im menschlichen Darm, hat dort wenig Feinde aber reichlich Nahrung. Folglich benötigte dieses Geschöpf kein Gehirn und entwickelte es gänzlich zurück.
Benedict Feichtner, science.ORF.at
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