Das Internet hat sich insgesamt positiv auf unser Liebesleben ausgewirkt, meint William Dutton, Studienleiter und Direktor des Oxford Internet Institute, am Rande der Technologiegespräche in Alpbach. Die Paare werden heterogener, dafür finden sich auch noch Anhänger der obskursten Hobbys - wie z.B. Extrembügler.

ORF/Johannes Cizek
William Dutton beim Forum Alpbach
science.ORF.at: Gestatten Sie eine persönliche Frage zu Beginn: Wo haben Sie Ihre Frau kennengelernt?
William Dutton:: Über eine gemeinsame Freundin, was nach wie vor die üblichste Art ist jemanden kennenzulernen. Es gibt all die traditionellen Wege weiterhin - Kontakt im Beruf, Singlebars, Kennenlernen über Freunde - mit dem Internet ist eine weitere Möglichkeit dazugekommen.
Wie wichtig ist Internet-Dating heute?
Es wird immer wichtiger, speziell für Menschen, die sich nach dem Jahr 2000 getroffen haben, nach dem Aufkommen von Social Networks und Online-Dating-Sites. Laut unserer - wohlgemerkt online durchgeführten Studie - haben sich über 30 Prozent der aktuellen Paare online kennengelernt.
Die Studie:
Weitere Links:
- Dating-Projekt des Oxford Internet Institute
- Die Liebe im Internet neigt zur Eile
- Erst ein neuer Partner lässt Ex vergessen
- Sex mit anderen: Fremdgehen oder Wildgehen?
- Die Geheimnisse der Partnerwahl
Technologiegespräche in Alpbach
Von 25. bis 27. August finden im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach die Technologiegespräche statt, organisiert vom Austrian Institute of Technology (AIT) und der Ö1-Wissenschaftsredaktion. Das Thema heuer lautet "Technologie als Chance - Verantwortung für die Zukunft". Dazu diskutieren Minister, Nobelpreisträger und internationale Experten u.a.
Ö1 Hinweise:
Eine Reihe von Sendungen begleitet das Europäische Forum Alpbach 2011 in Ö1. Die Technologiegespräche stehen im Mittelpunkt von Beiträgen in den Journalen, in Wissen aktuell, in den Dimensionen und bei der Kinderuni.
Ein überraschendes Resultat der Studie besagt, dass es die Gruppe der über 40-Jährigen ist, bei der das Online-Kennenlernen am meisten verbreitet ist. Wieso?
Junge Leute haben in der Regel in der Schule oder an der Uni starke soziale Netzwerke. Wer schon die zweite oder dritte Ehe hinter sich hat, hat das oft nicht und findet vermutlich deshalb die Online-Netze so attraktiv.
Was hat diese Gruppe vor dem Internet gemacht?
Gute Frage. Vermutlich haben sie sich auf die traditionellen Formen des Kennenlernens verlassen.
Gibt es so etwas wie einen Generaltrend beim Online-Dating?
Das Allgemeinste, was wir herausgefunden haben, ist, dass es immer weniger Unterschied macht, ob man jemanden online oder offline trifft, weil das Internet immer mehr verwoben ist mit dem realen Leben. Es entwickelt sich eine Ökologie von verschiedenen Netzwerken mit Onlinern und Offlinern, sodass unsere soziale Welt immer irgendwie vom Internet geformt ist. So wie es auch immer schwieriger wird zwischen Fernsehen und Internet zu unterscheiden, so verschwimmen auch die sozialen Offline- und Online-Bekanntschaften. Wobei sich der größte Teil des Liebeslebens wohl auch in Zukunft offline abspielen wird (lacht).
Wirkt sich das Internet positiv auf unsere Sozialbeziehungen aus?
Ich finde ja. Es vergrößert die Diversität der Paare, was z.B. soziale Unterschiede oder das Alter betrifft. Im Schnitt weisen Online-Paare einen um zwei Jahre größeren Altersunterschied auf als Offline-Paare. Menschen, die sich im realen Leben treffen, sind sich im Alter oder in sozialen Eigenschaften wie dem Bildungshintergrund ähnlicher. Im echten Leben ist man eher mit jemandem zusammen, den man aus der Schule kennt oder aus dem gleichen Ausbildungsumfeld. Online ist das abwechslungsreicher. Wir untersuchen gerade, ob das auch auf Unterschiede in den Persönlichkeiten zutrifft.
Worauf achten Menschen bei der Partnerwahl im Internet am meisten?
Es hat sich überraschenderweise herausgestellt, dass alle Kriterien - Bilder, die körperliche Erscheinung, die Persönlichkeit - gleich wichtig sind. Die Menschen haben verschiedenste Kriterien im Kopf und entpuppen sich als geradezu rationale Sucher.
Und das Bild ist nicht das Wichtigste?
Die körperliche Erscheinung ist wichtig, aber die anderen Eigenschaften ebenso. Die Leute sind auch durchaus wählerisch und nehmen nicht unbedingt gleich das, was sie bekommen können. Das ist vielleicht so, wie wenn man an Nachrichten interessiert ist. Man kann die bei der Online-Ausgabe der lokalen Zeitung bekommen, aber auch von ganz anderen Quellen. Menschen, die online nach Partnern Ausschau halten, sind sehr neugierig und wissbegierig.
Sie haben in Ihrer Studie auch nationale Unterschiede der Partnerwahl gefunden, werden die durch das Internet verstärkt oder eher geschwächt?
Es gibt erstaunlich wenige Unterschiede; wohl einige Ausreißer wie Brasilien, wo das Online-Dating besonders stark verbreitet ist, und Japan, wo das Gegenteil der Fall ist. Die meisten Länder sind aber über kulturelle Grenzen hinweg erstaunlich homogen. Es sieht so aus, als ob Online-Paare bereits in einer globalen Kultur leben. Wir nennen das die "neue Internet-Welt", in der Menschen gemeinsam leben, Interessen und Werte teilen wie Freiheit der Meinungsäußerung, Vertrauen und Recht auf Privatheit.
Glauben Sie, dass das Internet alternative und nicht-konventionelle Modelle des Liebeslebens fördert?
Fördern ist wohl übertrieben. Aber wenn man z.B. Anhänger der Gothic-Szene ist, dann kann man auf einer entsprechenden Website sicher einen Partner finden. Das Internet verbindet Menschen mit gleichen Interessen über den ganzen Globus. Vermutlich wäre Extrembügeln ohne das Internet nicht zu einem brauchbaren Hobby geworden. So kann man Menschen, die auch gerne extrembügeln, auf der ganzen Welt finden. Das Internet ist ein Werkzeug, um genau die Menschen zu treffen, die man treffen möchte.
Ihr Institut feiert bald zehnten Geburtstag - übrigens Gratulation dazu - wo stehen wir in weiteren zehn Jahren, wenn Sie eine Prognose wagen wollen?
Es hat in den vergangenen zehn Jahren so viele überraschende Entwicklungen gegeben, das wird auch in den nächsten zehn nicht anders sein. Ohne Zweifel wird das Treffen anderer Menschen aber ein zentraler Bestandteil des Internet bleiben. Wie das genau aussehen wird, weiß ich nicht, vielleicht werden Dating-Seiten und soziale Netzwerke zusammenwachsen. Ich kann mir vorstellen, dass spezielle Algorithmen aufgrund bestehender Freundschaften berechnen, wen man kennenlernen sollte, so wie es heute Buchtipps gibt. Freunde machen letztlich auch nichts anderes, wenn sie einen verkuppeln wollen. Auch sie überlegen sich - oft mehr recht als schlecht - wer zu wem passen könnte. Viele Datingseiten verwenden heute schon psychologische Profile zur Partnervermittlung. Manche glauben es geht um verschiedene Charaktere, andere betonen die Interessen: Mit diesen psychologischen Informationen werden wohl auch die Computerprogramme arbeiten.
Lukas Wieselberg, science.ORF.at
Weitere Beiträge zu den Technologiegesprächen 2011: