Samen des Lebens
Wenn von Asteroideneinschlägen auf der Erde die Rede ist, denkt man zunächst an Armageddon und Massensterben. Zu Recht, würden die Dinosaurier sagen. Dennoch ist das nicht die einzig möglich Perspektive. Ein größerer Impact kann auch gut sein für die Verbreitung des Lebens. Dann nämlich, wenn Material des Erdmantels ins Weltall befördert wird (was bei massiven Einschlägen eigentlich immer der Fall is), in dem sich Bakterien und andere simple Lebensformen befinden.
Die Mikroorganismen könnten, so die Idee der "Panspermie", auf diese Weise fremde Himmelskörper kolonisieren. Der schwedische Physiker Svante Arrhenius vermutete das bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Nun, 100 Jahre später, können Forscher die Idee auch am Computer überprüfen. Bisherige Modellrechnungen ergaben, dass solche Auswürfe bis zum Mond oder maximal bis zur Venus gelangen könnten.
Doch Mauricio Reyes-Ruiz und seine Kollegen von der Nationaluniversität Mexiko widersprechen: Ihren Simulationen zufolge ist alles eine Frage der Bewegungsenergie. Sofern der Asteroid mit entsprechendem Tempo in die Erdoberfläche rast, kann der Auswurf des Materials sogar das Sonnensystem verlassen oder zumindest bis zum Jupiter und dessen Mond Europa gelangen.
Drei Einzeller im Härtetest
Studien
Dynamics Of Escaping Earth Ejecta And Their Collision Probability With Different Solar System Bodies, arXiv (arXiv:1108.3375v1).
Comparative Suvival Analysis Of Deinococcus Radiodurans and The Haloarchaea Natrialba Magadii And Haloferax volcanii, Exposed To Vacuum Ultraviolet Irradiation, arXiv (arXiv:1109.6590v1).
Europa ist insofern ein Sonderthema, weil Forscher dort schon seit längerem Wasserreservoirs vermuten, die für extraterrestrisches Leben, so vorhanden, wichtig wären. Die Frage ist allerdings: Würden irdische Mikroorganismen die Reise dorthin bzw. die Bedingungen auf der Mondoberfläche überleben?
Diverse Forscherteams haben sich bereits an der Beantwortung dieser Frage versucht und die Widerstandfähigkeit von Bakterien, Pilzen, Viren und einzelnen Biomolekülen wie etwa DNA untersucht. Nur selten getestet wurden indes die sogenannten Archaeen, früher (fälschlich) auch Urbakterien genannt, weil sie auf den ersten Blick wie Bakterien aussehen. Tatsächlich bilden die Archaeen ein eigenständiges Reich unter den Lebewesen, so wie die Bakterien und die Lebewesen mit echtem Zellkern, also Pilze, Tiere und Pflanzen.
Die Archaeen sind jedenfalls deswegen heiße Kandidaten für interplanetare Reisen, weil sie auch auf der Erde extreme Lebensräume besiedeln und daher relativ resistent gegenüber den unwirtlichen Bedingungen im All sein könnten. Wie Ximena Abrevaya von der Universität Buenos Aires in einer aktuellen Studie berichtet, ist diese Vermutung zumindest nicht falsch.
Sie teste mit ihren Mitarbeitern drei Arten: Die beiden salztoleranten Archaeen Natrialba magadii und Haloferax volcanii sowie das Bakterium Deinococcus radiodurans. Letzteres ist relativ prominent, weil es Versuchen zufolge extreme Dosen Strahlung und andere potenziell tödliche Attacken übersteht - Spitzname daher: "Conan, das Bakterium".
Sonden-Panspermie?
Ö1 Sendungshinweis:
3.-7.11, "Vom Leben der Natur" über einzellige Lebewesen.
Abrevaya und Kollegen simulierten in ihren Versuchen jene Verhältnisse, die auf dem Jupitermond Europa herrschen, also Vakuum plus hohe Dosen von UV-Strahlen. Haloferax volcanii streckte unter diesen Bedingungen die Patschen, nur ganz wenige Einzeller überlebten die simulierte Europa-Visite. Im Gegensatz zu Natrialba magadii und Deinococcus radiodurans, die relativ gut über die Runden kamen.
Was "Conan" Deinococcus radiodurans betrifft, ist das keine allzu große Überraschung. Aber dass Natrialba magadii, erstmals 1984 im Magadi-Salzsee, Kenia, entdeckt, ebenfalls so widerstandsfähig ist, war nicht zwingend vorauszusehen.
Die Experimente haben allerdings einen Schönheitsfehler, sie dauerten nämlich nur drei Stunden. Um eine Reise zu Europa zu simulieren, wären tausende bis zehntausende Jahre notwendig gewesen, was aus naheliegenden Gründen nicht im Labor nachzustellen ist. Kürzer könnte die Reise allenfalls auf Raumschiffen dauern.
Vermutlich ist das sogar die Quintessenz der Versuche: Wer die Panspermien-Theorie erwähnt, sollte die Raumsonden nicht außer Acht lassen. Möglicherweise sind mit den Gefährten der NASA und ESA bereits tausende Mikropassagiere im All unterwegs - und erfreuen sich bester Gesundheit.
Robert Czepel, science.ORF.at
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