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Schwarzes Loch in der Spiralgalaxie NGC 300

Der Planetenfresser in der Milchstraße

Strahlen aus dem Zentrum unserer Galaxis stammen Astronomen zufolge von verschwundenen Planeten und Asteroiden: Sie wurden vermutlich von einem gigantischen Schwarzen Loch verschlungen.

Schwarzes Loch 11.11.2011

Große und kleine Ausbrüche

Im Zentrum der Milchstraße sitzt ein supermassives Schwarzes Loch namens Sagittarius A*, bzw. kurz: Sgr A*. Im Vergleich zu Schwarzen Löchern aus anderen Galaxien verhält es sich ausgesprochen friedlich, doch diese Ruhe könnte jene vor (bzw. nach) dem Sturm sein: Denn das Zentrum der Milchstraße ist dicht von Sternen bevölkert, Astronomen zufolge verschwindet alle 100.000 Jahre einer dieser Sterne im Inneren von Sgr A*- und hinterlässt bei seinem Todeskampf ein Feuerwerk kosmischer Strahlung.

Letzten Monat entdeckten Forscher im Strahlungsspektrum von Sag A* Hinweise, dass der letzte Stern wohl erst vor ein paar Hundert Jahren - während der Renaissance - von der Bildfläche verschwunden ist.

Neben den theatralischen Strahlenausbrüchen zeigt das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße auch unscheinbare Eruptionen, die immerhin 100-Mal größer sind als dessen Hintergrundstrahlung. Forscher um Kastytis Zubovas von der University of Leicester glauben, dass es sich dabei um Reste von verschwundenen Planeten oder Asteroiden handeln könnte. Insbesondere letzte seien vielversprechende Kandidaten, schreiben sie in einer aktuellen Studie.

Die fast täglich auftretenden Spitzen an Röntgen- und Infrarotstrahlung sind von der Größenordnung, die Himmelskörper mit einem Durchmesser größer als zehn Kilometer hinterlassen würden, sofern sie in der Gegenwelt des Schwarzen Loches verschwänden. Für Planeten gelte ähnliches, auch wenn dies vermutlich deutlich seltener passiere: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Sag A* einen Planeten einverleibe, sei kaum größer als bei einem Stern.

Planetengeburten um Schwarze Löcher?

Die Berechnungen werden jedenfalls von einer Hypothese gestützt, die seit einiger Zeit in der astronomischen Fachgemeinde die Runde macht. Forscher glauben, dass Schwarze Löcher von einem Torus aus Staub umgeben sind (vermutlich eine Mischung aus kosmischer Urmaterie und den Resten inhalierter Sterne).

Und dieser Torus könnte der Hypothese zufolge die gleiche Rolle spielen, wie es die protoplanetaren Scheiben um Sterne tun. Er hält demnach den Rohstoff für neue Planeten und Asteroiden bereit - die ihrerseits, nachdem sie entstanden sind, in regelmäßigen Abständen von Sag A* eingesogen werden.

Womit sie nur ein kurzes Leben diesseits des Ereignishorizontes des Schwarzen Loches führen würden, bevor sie ihr endgültiges Schicksal als unendlich dichte Materieklumpen ereilte. Für die Erde hat diese Erkenntnis freilich keine unmittelbare Konsequenz. Sagittarius A* ist 26.000 Lichtjahre von uns entfernt. Aus dieser Distanz kann man etwaige Planetenverspeisungen erste Reihe fußfrei betrachten - ohne Gefahr zu laufen, selbst dereinst im Schlund des Schwarzen Loches zu verschwinden.

Robert Czepel, science.ORF.at

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