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Ein Weinglas mit Rotwein wird geschwenkt

Das Geheimnis des Weinschwenkens

Jeder Weinkenner weiß: Erst wenn das Glas langsam geschwenkt wird, kommt das Aroma eines edlen Tropfens richtig zur Geltung. Schweizer Forscher haben das Phänomen im Detail untersucht - und nutzen es, um Zellen und Mikroorganismen im Labor effizienter zu züchten.

Physik 30.11.2011

Mohamed Farhat, Florian Wurm und Martino Reclari von der École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) untersuchten die physikalischen Vorgänge, die beim Schwenken des Weines ablaufen, mit einer Hightech-Kamera. Sie maßen damit, wie sich die Flüssigkeitswellen bewegen und berechneten, wie der Wein mit frischer Luft versorgt wird.

Die Studie:

"'Oenodynamic': Hydrodynamic of wine swirling" von Martino Reclari und Kollegen ist auf dem Preprint-Server "arXiv.org" erschienen.

Video:

Wellenbewegung genau untersucht

"Die Form der freien Oberfläche, die mit der Luft in Kontakt kommt, ist viel komplexer, als wir erwartet hatten", sagte Martino Reclari, der die Studie auf einem Physikerkongress in Baltimore (USA) präsentiert hat, laut einem Bericht auf der Webseite der EPFL. Es gebe eine "unendliche Anzahl" verschiedener Wellenformen.

Den Wissenschaftlern gelang es trotzdem, die entstehende Wellenform in Abhängigkeit von Variablen zu beschreiben. Wichtig für die Berechnung sind demnach die Geschwindigkeit der Rotationsbewegung, die Amplitude der Bewegung, also die vertikale Auslenkung, sowie die Größe des Glases und die Einfüllhöhe der Flüssigkeit.

Reclari habe zudem bereits Modelle entwickelt, die zeigten, welche Schwingungsbewegungen die geeignetsten seien für einen bestimmten Glastyp und einen bestimmten Wein, schreibt die EPFL. Es bestünden bereits Kontakte zu Önologen.

Schwenken tut auch Zellkultivierung gut

Die EPFL-Forscher verfolgen mit ihrer Studie aber noch ein anderes Ziel: Die sanften Schwingbewegungen lassen sich nämlich auch im Forschungslabor gewinnbringend nutzen. Bereits vor zehn Jahren hat Florian Wurm vom Labor für zelluläre Biotechnologie einen Spin-off gegründet, der mit dieser Technik bewegte Bioreaktoren herstellt.

Bioreaktoren sind Behälter, in denen Wissenschaftler zum Beispiel Mikroorganismen oder Zellen kultivieren. Traditionelle Reaktoren stehen auf einer rotierenden Oberfläche. Wurm stellte aber fest, dass sich die Kulturen besser entwickeln, wenn das ganze Gefäß geschwenkt wird wie ein Weinglas.

Die kultivierten Zellen erlitten weniger Erschütterungen, die Mixtur bleibe homogener und sie könne mit normaler Luft statt mit reinem Sauerstoff versorgt werden, sagte Wurm. Die Technik erlaube es, breitere und weniger hohe Reaktoren herzustellen als bisher; diese könnten einfacher in Laborräume mit Standardgröße installiert werden.

science.ORF.at/APA/sda

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