"Studies in Prejudice" lautet der Name der Studie, in der Theodor Adorno anno 1950 den schwelenden Antisemitismus in den USA untersuchte. Vorurteile seien, schrieb der emigrierte Meisterdenker der Frankfurter Schule, "Ausdruck tiefliegender Züge der Persönlichkeit". Der deutsche Soziologe und Gesellschaftstheoretiker machte vor allem biografische Ursachen aus: Ein rigider, überautoritärer Erziehungsstill erzeugt ihm zufolge in der Kinderpsyche Angst, die sich später in Form von Vorurteilen, im schlimmeren Fall: in Form von Rassismus ihr Ventil sucht.
Faktor Intelligenz
Die Studie
"Bright Minds and Dark Attitudes. Lower Cognitive Ability Predicts Greater Prejudice Through Right-Wing Ideology and Low Intergroup Contact", Psychological Science (Bd. 23, S. 187).
Der Befund mag auch aus heutiger Sicht zutreffen, doch das Ursachennetzwerk ist weitläufiger geknüpft. Wie eine Studie von Gordon Hodson und Michael Busseri zeigt, ist auch die geistige Grundausstattung, die Intelligenz, als Faktor nicht außer Acht zu lassen. Die beiden Psychologen von der kanadischen Brock University haben zwei Langzeitstudien analysiert, die 1958 bzw. 1970 in Großbritannien begonnen wurden.
Beide Studien haben tausende Briten im Laufe ihres Lebens begleitet und deren medizinischen und psychologischen Werdegang dokumentiert. Zum Methodeninventar zählten auch Intelligenztests und Befragungen zur Weltanschauung der Probanden.
Ideologie katalysiert Vorurteile
Diese haben Hodson und Busseri nun ausgewertet, die Statistik weist einen Zusammenhang aus, der nicht ohne politische Brisanz ist: Wer im Kindesalter einen unterdurchschnittlichen Wert beim IQ-Test erreicht, hat als Erwachsener eine größere Chance, rassistische Vorurteile zu entwickeln. Wobei die Verbindung vor allem durch einen ideologischen Katalysator entsteht. Rechte Ideologien wirken, wie die Statistik ebenfalls belegt, als hauptsächliche Vermittler zwischen niedrigem IQ und Rassismus. Namentlich sind das: eine konservative sowie - und hier kommt Adorno zu seinem Recht - autoritative Gesinnung.
Ähnlich fällt laut Hodson und Busseri der Zusammenhang zwischen abstraktem Denken und der Ablehnung Homosexueller aus. Je niedriger die Begabung bei ersterem, umso stärker schwingt das Pendel der Überzeugungen in Richtung Homophobie.
Bildung könnte hier erfahungsgemäß gegensteuern. Mit der Brechstange wird es allerdings nicht funktionieren: Wie eine Studie aus dem Vorjahr zeigt, ist Aufklärung nur dann erfolgreich, wenn sie den Adressaten tatsächlich aufklärt - und nicht bevormundet. Tut sie letzteres, verstärkt sie die Vorurteile anstatt sie zu beseitigen.
Robert Czepel, science.ORF.at
Mehr zu diesem Thema: