Das Verhalten wurde in meheren Versuchen überprüft. Dabei zeigte sich: Reiche Menschen in teuren Autos verletzen die Verkehrsregeln eher als Fahrer von Mittelklassewagen. Und noch mehr: Angehörige der Oberschicht lügen und tricksen der Untersuchung zufolge auch eher als Mitglieder unterer sozialer Schichten, berichten Paul Piff und Kollegen von der Universität Kalifornien in Berkeley.
Die Studie:
"Higher social class predicts increased
unethical behavior" erscheint in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (doi:10.1073/pnas.1118373109 - sobald online).
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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 28.2., 13:55 Uhr.
Der Autotest
Die kalifornischen Psychologen wollten die Frage klären, ob sich Menschen aus weniger wohlhabenden Schichten oder eher die wohlbestallten unmoralischer gegenüber anderen Verhalten. Beides könnte man logisch begründen: Die Armen haben mehr Gründe, in der Verbesserung ihrer Lage auch zu unlauteren Mitteln zu greifen. Reiche hingegen haben schon alles, was sie sich wünschen - und brauchen deshalb bei der Durchsetzung ihrer Interessen keine Rücksicht mehr zu nehmen.
Um die Frage zu klären, wandten sich die Forscher zunächst dem Straßenverkehr als Fallbeispiel zu. An einer vielbefahrenen Kreuzung, an der die Vorfahrt mit Stopp-Schildern geregelt ist, beobachteten sie, ob und welche Autos anderen die Vorfahrt nahmen. Die Wissenschaftler notierten Marke und Zustand des Wagens und beurteilten Geschlecht und ungefähres Alter des Fahrers.
Es zeigte sich, dass die Fahrer von Oberklassewagen häufiger die Verkehrsregeln missachteten und andere schnitten. Sie ignorierten auch Fußgänger an einem Zebrastreifen deutlich häufiger als dem Anschein des Wagens nach weniger reiche Leute, zeigte ein weiterer Versuch.
Wer nimmt mehr Bonbons?
Die Wissenschaftler vertieften ihre Beobachtungen anschließend mit Hilfe von geplanten Experimenten. Sie ließen zum Beispiel Studenten am Computer einige Aufgaben bearbeiten. Unter anderem sollten sie ihre soziale und wirtschaftliche Position auf einer zehnstufigen Leiter selbst einschätzen und mit dem US-Durchschnitt vergleichen. So wollten die Wissenschaftler die Probanden dazu bringen, sich ökonomisch betrachtet besser oder schlechter zu fühlen als andere Menschen und damit verbunden, eine entsprechende Geisteshaltung einzunehmen.
In einer anschließenden vermeintlichen Pause kamen die Forscher mit einem Glas Bonbons zu den Versuchsteilnehmern. Sie sagten, diese seien eigentlich für eine Gruppe Kinder im Nebenraum, aber die Teilnehmer könnten ruhig zugreifen, wenn sie wollten. Dann verschwanden sie für einige Minuten, bevor sie die Probanden zum angeblichen zweiten Versuchsteil baten. Es zeigte sich, dass diejenigen Probanden, die nach eigenem Bekunden einer höheren Schicht angehörten, mehr Bonbons genommen hatten als solche einer unteren Schicht. Weitere Experimente ergaben, dass die reicheren Versuchsteilnehmer auch eher logen oder schummelten, wenn es zum Beispiel darum ging, in einem Spiel Geld zu gewinnen.
Gier als Wurzel allen Übels
Bei der Suche nach einer Begründung stießen die Psychologen um Paul Piff auf ein Phänomen, in dem schon die klassischen Philosophen die Wurzel des moralischen Übels sahen: die Gier. Sie werde von reicheren Leuten positiv bewertetet, während sich Ärmere daran stoßen, schreiben die Forscher und probierten auch gleich den Umkehrschluss: Brachten sie Mitglieder unterer sozialer Schichten dazu, Gier ebenfalls eher positiv zu bewerten, stieg auch deren Wahrscheinlichkeit, zu lügen oder zu schummeln.
Die beobachteten Unterschiede ließen sich nicht durch Alter, Geschlecht, Religionszugehörigkeit oder politische Einstellung erklären, berichten die Forscher weiter. Jeder habe vermutlich in seinem Leben schon einmal Gier verspürt, schreiben sie. Aber dieses Gefühl sei nicht gleichmäßig über alle sozialen Schichten verteilt. Die Durchsetzung eigener Interessen sei ein bedeutendes Motiv in der Elite der Gesellschaft, und die vermehrten Wünsche, die mit größerem Reichtum und Status einhergehen, könnten unethisches Verhalten begünstigen - siehe auch die aktuelle Finanzkrise.
science.ORF.at/APA/dpa