59 Prozent der mit LSD behandelten Patienten berichteten, dass sie weniger Alkohol konsumierten als vorher. Zurückgeführt wurde das von den Versuchspersonen selbst darauf, dass ihnen die Droge "mehr Einsicht in ihr Problem" und "mehr Zuversicht hinsichtlich seiner Lösung" verliehen habe. Rein chemisch dürfte dieser Effekt wohl auf die Wirkung zurückzuführen sein, die LSD auf den Serotoninhaushalt des Körpers hat.
Die Studie:
"Lysergic acid diethylamide (LSD) for alcoholism: meta-analysis of randomized controlled trials" ist im "Journal of Psychopharmacology" erschienen (doi: 10.1177/0269881112439253).
Substanzen gegen Sucht
Alkohol ist jene Droge, die weltweit die meisten Schäden anrichtet. Laut einer Studie aus dem Jahr 2009 gehen drei bis acht Prozent der weltweiten Toten auf das Konto dieser abhängig machenden Substanz. Trotz der vielen Untersuchungen, die die gesundheitlichen und sozialen "Kosten" des missbräuchlichen Alkoholkonsums belegt haben, verfallen noch immer jährlich hunderttausende Menschen der Sucht - und ebenso viele kämpfen darum, von ihr wieder los zu kommen.
Die Überlegung, psychedelische Substanzen zu medizinischen Zwecken einzusetzen, ist alt. Auch hinsichtlich LSD, das eines der stärksten bekannten Halluzinogene ist und schon in geringen Dosen intensive Wahn- bzw. Traumvorstellungen auslöst, gab es bereits in den 1950er Jahren in der Behandlung von Schizophrenie erste Versuche. Dass man überhaupt auf die Idee kam, LSD als "Gegengift" zum Alkoholismus einzusetzen, lag an den Berichten alkoholkranker Menschen. Sie erzählten, dass sie das Erleben eines "Delirium Tremens" so geschockt hatte, dass sie vom Alkohol lassen wollten. Die - naiv klingende - Annahme der Ärzte lautete daher: Eventuell hat die delirante Wirkung von LSD die gleich Wirkung, jedoch ohne negative Begleitumstände des alkoholbedingten Ausnahmezustands?
Auswertung der Studien
Die Gefahren von LSD:
LSD (Lysergsäurediethylamid) verändert die individuelle Wahrnehmung sowohl von optischen und akkustischen Eindrücken als auch von Gefühlen. Obwohl LSD laut Experten körperlich nicht abhängig macht, bestehen beim Konsum erhebliche Gefahren:
- Wahnvorstellungen - etwa die Vorstellung, fliegen zu können - können zu gefährlichen Handlungen verleiten.
- Besonders in hohen Dosen kann LSD Angst- und Panikzustände auslösen.
- Bei psychisch labilen Personen kann LSD psychotische Schübe verursachen. Paranoia und andere für Schizophrenie typische Symptome können auftreten.
In den USA wurde LSD 1966, in Österreich 1971 verboten.
In den 1960er Jahren begannen deshalb mehrere Forschergruppen mit Versuchen. Das Problem dieser Tests war aber, dass sie immer an vergleichsweise wenigen alkoholkranken Menschen gemacht wurden, daher also keine verallgemeinerbaren Aussagen zuließen. Diese Lücken wollten nun die norwegischen Neurowissenschaftler Teri Krebs und Pal-Orjan Johansen von der Universität Trondheim schließen, indem sie die ab 1966 stückweise veröffentlichen Studien zusammenführten.
Insgesamt werteten sie die Daten aus sechs Versuchen mit insgesamt 536 Teilnehmern neu aus. Allen Studien war gemeinsam, dass nur ein Teil der Versuchspersonen LSD verabreicht bekam, während dem Rest ein Placebo-Präparat verabreicht wurde. Die Zusammenschau der Studien ergab: 59 Prozent der Testpersonen, die LSD eingenommen hatten, berichteten danach, weniger Alkohol zu trinken. Die Wirkung hielt laut Krebs und Johansen bis zu einem Jahr an - danach gab es keine Kontrollen mehr, weshalb über langfristige Auswirkungen nichts gesagt werden könne. Drei der sechs Studien hätten belegt, dass LSD gänzliche Abstinenz unterstütze, berichten die Forscher.
Droge oder Therapie
Erklärt werden könnte diese - im Fall von Alkoholmissbrauch positive - Wirkung von LSD durch die Veränderungen im Serotoninhaushalt. Serotonin ist ein Botenstoff, der unter anderem auch Wohlbefinden, Antrieb und Schlaf beeinflusst. LSD spricht dieselben Rezeptoren wie der "Stimmungsaufheller" Serotonin an und könnte dadurch "das Gehirn empfangsbereiter für neue Perspektiven und Möglichkeiten machen", beschreibt Teri Krebs in einer Aussendung. Wie genau die Wirkung zustande kommt, können die Forscher aber nicht beantworten.
Die Tests mit LSD wurden beendet, nachdem die Substanz in den USA 1966 verboten wurde. Teri Krebs und Pal-Orjan Johansen sprechen sich in ihrer Studie dafür aus, das Potenzial von LSD bei der Behandlung von Alkoholismus weiter auszuloten - allerdings in Kombination mit therapeutischer Begleitung. Genau in diesen Therapieansätzen sehen Kritiker der Studie auch den Grund, warum der Einsatz von LSD heute nicht mehr nötig sein sollte: Gesprächs- und Verhaltenstherapie seien so stark weiterentwickelt worden, dass es die Wirkung psychedelischer Substanzen nicht mehr brauche.
Elke Ziegler, science.ORF.at