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Ionen als Quantenbits

"Man kann sich an Quantenphysik gewöhnen"

Das Magazin "Forbes" zählte den Spanier Ignacio Cirac 2007 zu jenen zehn Menschen, die die Welt verändern könnten. In einem Interview spricht der theoretische Physiker über den hürdenreichen Weg zum Quantencomputer und "unrealistische" Nobelpreishoffnungen.

Interview 28.03.2012

APA: Richard Feynman war sich sicher, dass niemand die Quantenmechanik versteht - verstehen Sie diese Theorie?

Ignacio Cirac: Was bedeutet verstehen? Verstehen sagt man, wenn man an etwas gewöhnt ist. Man vergleicht mit etwas, das normal für einen ist. Für mich ist natürlich nach 20 Jahren in diesem Feld alles sehr normal. In diesem Sinne verstehe ich die Quantenmechanik. Aber ich finde jeden Tag etwas, das mich überrascht. Ich glaube man kann sich daran gewöhnen, aber noch findet man Überraschungen in diesem Feld.

Ignacio Cirac

EPA

Ignacio Cirac ist Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching bei München. Vor seiner Berufung nach Deutschland war Cirac von 1996 bis 2001 Professor für Theoretische Physik an der Universität Innsbruck.

Am 27.2. hielt Cirac an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften einen Vortrag mit dem Titel "Quantum Physics: A source of mysteries and applications".

Worüber spricht ein führender theoretischer Quantenphysiker am Abend mit seiner Familie und seinen Freunden - wohl nicht über Quantenphysik?

Ich glaube, dass sie keine besondere Lust haben, mit mir darüber zu reden, da würde ich sie ein bisschen langweilen. Aber sie wollen etwas sehen, das funktioniert - einen Quantencomputer. Sie wollen nicht so sehr wissen, wie man das macht, sondern warum es so lange dauert.

Das interessiert mich auch. Warum geht es so langsam?

Weil es so schwer ist. Der Grund, warum wir die Quantentheorie nicht in unserer Welt sehen können, ist die Wechselwirkung zwischen den Teilchen. Das Problem ist, Kohärenz aufrecht zu erhalten (Quantensysteme müssen möglichst ungestört von äußeren Einflüssen sein, Anm.), und das ist komplizierter, je größer das System ist. Für ein Atom ist das leicht, jedes Atom, das dazu kommt, macht es schwieriger.

Eine ihrer berühmtesten Arbeiten ist das gemeinsam mit Peter Zoller entwickelte Modell eines Quantencomputers, das auf der Wechselwirkung von Lasern mit kalten in einer elektromagnetischen Falle gespeicherten Ionen beruht. 1995 galt dies als einer der erfolgversprechendsten Ansätze - ist das Konzept heute nicht schon überholt?

Vielleicht noch nicht, aber das könnte bald passieren. 1995 hat man nicht gewusst, ob es überhaupt möglich ist, einen Quantencomputer zu bauen. Also haben wir über abstrakte Konzepte gesprochen, die man realisieren könnte. Das war unsere Leistung. Danach hat man gesehen, dass man das auch mit anderen Systemen machen kann. Im Moment sind die Ionenfallen noch am fortschrittlichsten, aber es gibt andere Systeme, die kommen, z.B. Supraleitungs-Qubits (ein Qubit ist die kleinste Informationseinheit im Quantencomputer, Anm.).

Wird der Quantencomputer jemals eine breitenwirksame Technologie werden, oder bloß ein wissenschaftliches Instrument für spezielle Anwendungen?

Jedes Problem, das man mit einem normalen Computer lösen kann, könnte man in einem Quantencomputer schneller lösen. Aber ich brauche zu Hause keinen schnelleren Computer, um einen Text zu schreiben oder eine E-Mail zu senden. Aber die Wissenschaftler brauchen schnellere Computer, oder die Leute, die Raketen bauen, etc. Ich nehme an, dass ein Quantencomputer nützlich für spezielle Aufgaben wäre.

Peter Zoller und Sie gelten als kongeniales Paar. Auch Sie betonen immer wieder, wie wichtig Ihnen die Zusammenarbeit mit Zoller ist. Warum sind Sie nach München gegangen, war Innsbruck zu klein für zwei renommierte theoretische Physiker?

Ich habe keine gute Antwort auf diese Frage. Die beste Zeit meines Lebens war jene in Innsbruck. Wir haben sehr viele Papers geschrieben und sehr gute Sachen gemacht. Aber dann kamen Angebote aus Spanien und München - und dann habe ich gefunden, dass es vielleicht Zeit wäre, etwas Neues anzufangen.

Die Quantenphysik-Gruppen in Wien und Innsbruck zählen zu den weltweit besten. Was macht den Erfolg der österreichischen Quantenphysik aus?

Sie haben tolle Wissenschaftler. Das ist das wichtigste, und dann brauchen diese Wissenschaftler Unterstützung. Ich glaube, die gibt es in Österreich. Unterstützung bedeutet nicht nur Geld, sondern auch, das Leben einfach zu machen für die Forschung.

Peter Zoller und Sie werden immer wieder als Kandidaten für den Physik-Nobelpreis genannt - ist das etwas, das Sie ehrt oder sie stört?

Das ist natürlich eine Ehre, das zu hören. Aber ich finde das nicht realistisch - leider.

Warum nicht?

Ich glaube, die Chance existiert nicht. Normalerweise bekommt man diesen Preis für etwas, das funktioniert. Im Moment haben wir noch keinen Quantencomputer

Interview: Christian Müller/APA

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